„Hintergrund für das Indikationen-Set ist die Beobachtung, dass das derzeitige Gesundheitssystem Spiritualität und Seelsorge wenig Aufmerksamkeit widmet“, sagt Pastor Dietmar Vogt. „Aus gesundheitspolitischer Sicht geht es fast immer allein um die medizinische Behandlung der Patientinnen und Patienten.“
Vogt ist Krankenhausseelsorger am Marien-Hospital Papenburg-Aschendorf und Beauftragter für Personzentrierte Seelsorge am Zentrum für Seelsorge und Beratung (ZfSB) in Hannover. Im Rahmen eines Projektes der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers ist er damit beauftragt, das in der Schweiz erarbeitete „Indikationen-Set zum Beizug von Seelsorge und Spiritual Care“ in einem Krankenhaus zu implementieren und zu evaluieren. Das Konzept wird wissenschaftlich begleitet von Traugott Roser, Professor für Praktische Theologie an der Universität Münster. Ziel ist es, die Kompetenz von Seelsorge und Spiritual Care sichtbar zu machen und sie ins medizinische System Krankenhaus sowie andere Einrichtungen des Gesundheitswesen als selbstverständliche Leistung zu implementieren.
Blick auf die Indikationen für Seelsorge
„Damit Seelsorge und Spiritual Care im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen ernst genommen werden, wird es darauf ankommen, sie in die medizinische Sprache und ins medizinische Interesse einzubetten“, stellt Vogt fest. Nur so könnten sie verlässlich in das Behandlungssystem integriert und als kompetente Partnerinnen sichtbar werden.
„Da im Gesundheitssystem der Begriff der Indikation eine wichtige Rolle spielt, gilt es, ihn im Rahmen eines ganzheitlichen anthropologischen Ansatzes auch auf Seelsorge und Spiritual Care zu beziehen – also auf die Fachdisziplinen für Spiritualität im weitesten Sinne“, so der Krankenhausseelsorger. „Doch welche Indikationen zeigen an, wann Seelsorge und Spiritual Care helfen können?“
In der Erarbeitung des Indikationen-Sets hätten sich vier Ebenen herauskristallisiert, auf denen Seelsorge und Spiritual Care hilfreiche Unterstützerinnen sind, erläutert Vogt: „Es sind die Ebenen Sinn, Transzendenz, Identität und Werte.“ Hier könnten Seelsorge und Spiritual Care aufgrund ihrer Kompetenzen im besonderen Maße entlasten, Leid mit aushalten, Verlorenem Raum geben, Perspektiven begleiten und bei Bedarf Gottesvorstellungen thematisieren.
Grundlage für das Set sind Beobachtungen
Im 2019 erstmals veröffentlichten Konzept für das Indikationen-Set werden die genannten vier Ebenen genau beschrieben sowie mit spirituellen Themen, einer Zielbestimmung, einer angemessenen seelsorglichen Intervention und mit Indikationen verbunden. Grundlage für diese Indikationen sind Beobachtungen, die das medizinische/pflegerische Team im Gespräch mit Patientinnen und Patienten macht. Grübelt und hadert die Patientin viel, ist der Patient ängstlich oder unruhig, hat sie Gesprächsbedarf und ist mit Sinnkrisen beschäftigt, wünscht er sich eine spirituelle Begleitung? „Es geht also immer um den Dreischritt Beobachtung – Indikation – Handlung“, fasst Dietmar Vogt zusammen.
Im Papenburger Marien-Hospital sind auf fast jeder Station Pflegende damit betraut, die Patientinnen und Patienten im beschriebenen Sinne im Blick zu behalten. Einmal in der Woche fragt Dietmar Vogt bei ihnen an, wem aus pflegerischer Sicht ein offenes Gesprächsangebot der Seelsorge guttun würde. „Hilfreich ist dabei die digitale Vernetzung der Seelsorgenden mit den Pflegenden in einer krankenhausinternen App – das erspart uns allen viele Wege“, ergänzt der Krankenhausseelsorger. Aktuell gebe es sehr positive Erfahrungen mit dieser Vorgehensweise.
Schulungsformate müssen entwickelt werden
„Langfristig wird es darauf ankommen, auch Ärztinnen, Ärzte und die medizinischen Ausbildungseinrichtungen in das Indikationenset miteinzuführen, ebenso ehrenamtlich Besuchende“, sagt Vogt mit Blick auf die Anforderungen der Zukunft. Es sei notwendig, Schulungsformate zu entwickeln und das Indikationen-Set auch in Altenzentren und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens zu etablieren. „Das Set ermöglicht es, Seelsorge und Spiritual Care im Gesundheitssystem als notwendige, kompetente, medizinisch verstehbare und dauerhafte Handlungsfelder sichtbar zu machen und zu implementieren.“
Interessierte erhalten weitere Informationen ebenso wie Erfahrungsberichte und Einschätzungen zu Grenzen und Schwierigkeiten des Indikationen-Sets gerne bei Pastor Dietmar Vogt unter Dietmar.Vogt@evlka.de oder 0151 21465251.