„Thema ‚Klima und Seelsorge‘ wird kaum bearbeitet“

Nachricht 02. Oktober 2024

Klausurtagung des ZfSB beschäftigt sich mit zwei Zukunftsthemen

Mitglieder der Dienstkonferenz des ZfSB beschäftigten sich in Hermannsburg mit aktuellen Fragen an die Seelsorge.

 „Seelsorge und Krise – Aufbrüche und Abschiede“: Unter diese Überschrift stellte die Dienstkonferenz des Zentrums für Seelsorge und Beratung jetzt ihre Klausurtagung im Evangelischen Bildungszentrum Hermannsburg. Über drei Tage beschäftigten sich die Beauftragten aus den verschiedenen Arbeitsfeldern der Spezialseelsorge mit dem hochaktuellen Thema; Impulse und Erfahrungen dazu gab es von mehreren Referent*innen.

In die Fragestellungen und Herausforderungen des Themenkomplexes „Klima und Seelsorge“ führte Pfarrer Walter Lechner, Referent für Sozialraumorientierung der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung midi, ein. Anhand des Stichwortes „Anthropozän“ erläuterte er, dass das aktuelle Erdzeitalter das erste sei, in dem der Mensch es in der Hand habe, die Erde bis hin zu ihrer eigenen Vernichtung zu prägen. Auf Basis einer Umfrage in zehn Ländern unter Kindern und Jugendlichen benannte er Herausforderungen für die Seelsorge in Gegenwart und Zukunft: 75 Prozent der Befragten nehmen die Zukunft angesichts des Klimawandels als furchteinflößend wahr; 42 Prozent zweifeln daran, selbst einmal Kinder bekommen zu wollen. Allgemein nähmen Ängste, Trauer und Sinnfragen, Schuld- und Schamgefühle, Wut, Vergeblichkeitserfahrungen und Verzweiflung zu, erklärte Lechner.

Climate Anxiety and Pastoral Care

Im deutschsprachigen Raum werde der Komplex „Klima und Seelsorge“ bislang kaum bearbeitet, so Lechner weiter. Unter anderem im Globalen Süden und im englischsprachigen Raum sei „Climate Anxiety and Pastoral Care“ hingegen ein Begriff; auch Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen weltweit hätten sich bereits intensiv mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Psyche befasst. Als eine mögliche Form des seelsorglichen Umgangs mit dem Thema stellte Lechner sogenannte Klima-Cafés vor, in denen Menschen die Möglichkeit haben, ihre Angst und ihre Wut zu thematisieren und darüber mit anderen zu sprechen.

Die Teilnehmenden der Klausurtagung betonten die Notwendigkeit einer Seelsorge, die die Klage mit aushält und zu einer Hoffnung ermuntert, die in Solidarität und Aktivität mündet. Notwendig sei es auch, zunächst einmal herauszufinden, worauf sich Hoffnung überhaupt gründen könne: „Ist es die Hoffnung, dass mir schon nichts passieren wird?“ Klar wurde an dieser Stelle, dass Seelsorgende angesichts der drohenden Apokalypse (noch) nicht ausreichend sprechfähig sind.

Ermunterung zu Solidarität und Aktivität

In einem weiteren Impuls stellte Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel ihre Arbeit auf einer Projektstelle zur evangelischen Seelsorge und Beratung im Ahrtal nach der Flutkatastrophe vor. Deutlich wurden dabei offene Fragen, etwa zur Rolle der Kirche vor dem Hintergrund staatlichen Versagens. Was sollte Kirche präventiv leisten, um für kommende Katastrophen besser gerüstet zu sein? Wie geschieht Nachsorge für die Helfenden? Auch diese Fragen wurden gestellt und, was die Nachsorge betrifft, im Fall von Pfarrerin Riedel mit einem ernüchternden „gar nicht“ beantwortet. Der notwendige Praxisbezug wurde anhand der Frage, was der Begriff des apokalyptischen Hoffens für die eigene seelsorgliche Arbeit bedeute, hergestellt.

Einen Impuls zum zweiten Schwerpunktthema „KI und Seelsorge: der Blick nach vorn“ brachte Achim Blackstein, Beauftragter für Digitale Seelsorge und Beratung im ZfSB, ein. Ebenso ernst wie stellenweise amüsant präsentierte er den aktuellen Stand rund um KI-Anwendungen und stellte die Frage, in welcher Form Künstliche Intelligenz in Seelsorge und Beratung einfließen könne. Die Teilnehmenden identifizierten hierzu verschiedene potenzielle Anwendungsmöglichkeiten, unter anderem als Türöffner zu bestehenden Hilfsangeboten, und bewerteten sie als grundsätzlich sinnvoll und hilfreich – vorausgesetzt, alle Anwendungen entsprächen klaren ethischen Vorgaben, seien transparent und nähmen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte ernst.

Themen auch für Vikariatskurse

Im abschließenden Fazit der Teilnehmenden gab es ganz überwiegend positive Rückmeldungen, darüber hinaus wurde der Wunsch geäußert, die Inhalte der Tagung zukünftig auch in Vikariatskursen zu thematisieren. Um den Anschluss nicht zu verpassen, müsse sich Seelsorge sowohl mit dem „apokalyptisch Hoffen“, als auch mit KI-Anwendungen intensiv befassen, lautete ein Statement zum Ende der Tagung.