
„Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet“ (Jesaja 46,4) – diese Zusage Gottes ist ein Auftrag für die Kirchen, alt gewordenen Menschen die Teilhabe an spiritueller Gemeinschaft zu ermöglichen, Sorge für ihren Leib und ihre Seele zu tragen und ihre Würde zu wahren. „Die Arbeit mit älteren Menschen ist ein fester Bestandteil kirchlicher Arbeit in den Gemeinden und in Pflegeheimen“, sagt Pastorin Anita Christians-Albrecht, Beauftragte für Altenseelsorge in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. „Die seelsorgliche Betreuung und gottesdienstliche Versorgung dieser Menschen ist aufgrund der Personallage vor Ort aber nur noch eingeschränkt zu leisten.“ Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, hat die Landeskirche in diesem Jahr ihr Bonifizierungsprogramm erweitert: Das Programm unterstützt Kirchenkreise darin, Stellen oder Stellenanteile für Altenseelsorgerinnen und -seelsorger einzurichten.
Begleitung von Angehörigen Demenzerkrankter
Die stetig steigende Anzahl hochbetagter, pflegebedürftiger und teilweise auch dementer Menschen hat in den vergangenen Jahren zu einer wachsenden Zahl von Pflegeheimen geführt. Daneben werden nach wie vor mehr als 70 Prozent aller Pflegebedürftigen zuhause von Angehörigen versorgt, oftmals mit Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst. Für diese Menschen und ihre Familien möchte die Hannoversche Landeskirche in Seniorenheimen und Kirchengemeinden vermehrt Gottesdienste und seelsorgliche Begleitung anbieten. Neu in den Blick genommen werden dabei auch die Sterbebegleitung in den Altenheimen und die Begleitung der Angehörigen von Demenzerkrankten, die oftmals schon zu deren Lebzeiten einen Trauerprozess durchleben.
Anita Christians-Albrecht freut sich, dass die Landeskirche sich in Zukunft noch stärker für ihre alt gewordenen Gemeindeglieder engagieren will und betont einen weiteren Aspekt des Bonifizierungsprogramms, von dem Gemeinden und Kirchenkreise profitieren können: „Ältere Menschen sind heute im Durchschnitt deutlich gesünder und vitaler als zu früheren Zeiten“, sagt sie und verweist auf entsprechende Studien. „Immer mehr Menschen erleben ein Drittel ihres Lebens im Ruhestand als eigenständigen Lebensabschnitt, in dem sie gerne im Ehrenamt Verantwortung übernehmen.“ Die Beauftrage für Altenseelsorge betrachtet dieses Potenzial als Schatz und gleichzeitig als Herausforderung, denn auch aktive und gesunde ältere Menschen stellen Sinn- und Glaubensfragen neu und wünschen sich, darin wahrgenommen und begleitet zu werden.
Neue Konzepte der Teilhabe
„Lebensqualität im Alter hängt nicht nur von Sozialversicherung und Pflegegrad ab, sondern in erster Linie vom sozialen Netz am Wohnort“, ist Pastorin Christians-Albrecht überzeugt. „Es ist daher unsere Aufgabe als Kirche, neue Konzepte der Teilhabe am Lebensumfeld, der senioren- und demenzorientierten Gottesdienstgestaltung und der Begleitung im Leben und im Sterben zu entwickeln.“ Das Bonifizierungsprogramm bietet hierfür Ansatzpunkte: Zunächst begrenzt auf fünf Jahre werden Stellen oder Stellenanteile für Altenseelsorgerinnen und -seelsorger in Kirchenkreisen finanziell gefördert.
„Pastorinnen und Diakone auf zusätzlichen Stellen in der Altenseelsorge können sich für eine generationsübergreifende Kirchengemeinschaft einsetzen und den Gemeinden gleichzeitig dabei helfen, die Ressource der älteren und noch aktiven Menschen zu nutzen“, sagt Anita Christians-Albrecht. Sie strebt mit der Einrichtung zusätzlicher Stellen in der Altenseelsorge auch eine gesellschaftliche Positionierung an: „Gerade in diesem Bereich hat die Kirche die Chance, gegen gesellschaftliche Leitbilder, die abhängigen, nicht mehr produktiven Menschen Wertschätzung und Würde absprechen, deutliche Zeichen zu setzen.“