Tamara Meyer-Goedereis, Beauftragte für Blinden- und Sehbehindertenseelsorge im Zentrum für Seelsorge und Beratung, ist noch immer beeindruckt: Mitte Juni nahm sie an einem besonderen Gottesdienst in der evangelischen St.-Thomas-Kirchengemeinde in Laatzen teil. Gestaltet wurde dieser Gottesdienst von einer Vorbereitungsgruppe um Pastorin Ilka Straeck in Zusammenarbeit mit der Ortsgruppe Hannover/Region Leine-Weser im Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen.
In einem persönlichen Rückblick schildert Pastorin Ilka Straeck ihre Erfahrungen mit dem besonderen Gottesdienst:
„Heute blicke ich zurück auf einen eindrücklichen und bewegenden Gottesdienst in Zusammenarbeit mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen in der Arche der Thomasgemeinde Laatzen-Mitte. Wir haben in unserer Gemeinde den Schwerpunkt Diakonie, und so war es für uns keine Frage, dem Wunsch nach einem gemeinsamen Gottesdienst mit Menschen mit Sehbehinderung zuzustimmen.
So einen Gottesdienst haben wir zum ersten Mal bei uns gefeiert. Unsicherheit und Fragen, wie dieser Gottesdienst gestaltet werden kann und worauf zu achten ist, mussten überwunden werden. Welche Lieder können gesungen werden? Wie kann das praktisch gehen? Müssen wir Liederzettel in Brailleschrift haben? Wo kann das Gesangbuch in Braille ausgeliehen werden? Können auch neuere Kirchenlieder ausgesucht werden, die von unserer Gottesdienstgemeinde selbstverständlich gesungen werden, aber bei Menschen, die nicht regelmäßig Gottesdienste besuchen, unbekannt sind und bei Blinden und Sehbehinderten zu einer weiteren Herausforderung werden (können)?
Bei der Auswahl der Lieder habe ich erfahren, dass Menschen, die nicht sehen können, die Melodie oder Tonart der Lieder sehr stark fühlen und dass ich darauf bei der Auswahl achten muss.
Und was muss ich generell beachten bei der Gestaltung so eines Gottesdienstablaufes, z.B. bei der Liturgie? Auch Menschen mit Sehbehinderung ist unsere Gottesdienstliturgie heute z.T. unbekannt und nicht vertraut.
Ideen und Hinweise, auf was zu achten ist, habe ich mir über das Internet gesucht und durch Gespräche mit Betroffenen bekommen. Für die Zukunft wünsche ich mir praktische Unterstützung und vielleicht sogar einen Leitfaden mit Hinweisen von der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge. Hilfreich waren in jedem Fall die offenen Gespräche im Vorfeld mit Betroffenen, die auch bereit waren, bei der Gestaltung des Gottesdienstes mitzuwirken. Diese Gespräche waren nicht nur persönlich sehr bereichernd, sondern gaben auch wertvolle Hinweise darauf, worauf zu achten ist. Sie haben mir gezeigt, dass das Thema Sehbehinderung und die Bedeutung dieser starken Einschränkung für die Betroffenen sehr offen angesprochen werden kann.
Ich habe gelernt, dass es für Menschen mit Sehbehinderung hilfreich ist, bei allen Liedern vor dem Singen jedes Verses den Text einmal für alle laut zu lesen – auch wenn das Gesangbuch oder ein Liederzettel in Brailleschrift zur Verfügung stehen. Das ist für unsere Gottesdienstgemeinde ungewohnt, aber so können Menschen mit Sehbehinderung ohne Einschränkung teilnehmen und die Texte der Lieder schneller erfassen. Texte für den Gottesdienst sollten auf weißem Papier mit großer und klarer Schrift gedruckt sein. Wenn das Evangelische Gesangbuch in Großdruck (die DIN A4-Ausgabe) in einigen Exemplaren vorhanden ist, ist das auch hilfreich und wird gern von Menschen mit starker Seheinschränkung angenommen.
Eindrücklich für alle Gottesdienstbesuchenden war ein persönliches Interview mit einer Betroffenen. Das kann sicher auch bei anderen Gottesdienstthemen bereichernd sein.
Eine erschwerte Situation gab es aktuell aufgrund einer weitläufigen Baustelle vor unserem Gemeindezentrum. Deshalb hatte ich diese Info im Vorfeld für alle, die mit dem Auto kommen, weitergegeben. Für die Besucherinnen und Besucher, die mit Öffentlichen Verkehrsmitteln kamen, haben wir einen Abhol- und Bringdienst von und zur Haltestelle organisiert. Allerdings habe ich auch die beeindruckende grundsätzliche Selbständigkeit und Selbstorganisation der Menschen mit Sehbehinderung erlebt.
Wichtig für den Gottesdienst sind einige Helferinnen und Helfer, die ggf. von der Haltestelle abholen, die Besucherinnen und Besucher zum Sitzplatz geleiten oder Kaffee einschenken und anreichen, außerdem einfach für Fragen aller Art zur Verfügung stehen.
Es sollte auf jeden Fall möglich sein und außer Frage stehen, dass Begleithunde mit im Gottesdienst sein dürfen. Gern angenommen wurde das Angebot einer persönlichen Segnung für Hund und Hundebesitzerin oder -besitzer.
Alles in allem war es für Menschen mit und ohne Sehbehinderung ein beeindruckender und bereichernder gemeinsamer Gottesdienst. Wir werden auch in Zukunft einmal im Jahr einen Gottesdienst speziell für Menschen mit Sehbehinderung anbieten.“