„Seelsorge wird mehr und mehr zum Thema“

Nachricht 17. Februar 2021

Schulungsmodule geben Impulse für die Jugendseelsorge

Teamer*innen und Teilnehmende einer Juleica-Schulung im Gespräch in der Jugendherberge Mardorf. Foto: Anna Thumser

„Es ist tatsächlich so, dass das Thema uns gefunden hat“, antwortet Petra Eickhoff-Brummer auf die Frage, was sie dazu veranlasst habe, ein Schulungsmodul „Peer-to-Peer-Seelsorge“ zu erarbeiten. Die Beauftragte für Systemische Seelsorge am Zentrum für Seelsorge und Beratung (ZfSB) hat jetzt gemeinsam mit Marco Kosziollek vom Landesjugendpfarramt im Haus kirchlicher Dienste das Werkstattheft „Was tun, wenn jemand weint?“ veröffentlicht. Das Basis-Modul soll in der Juleica-Ausbildung der Kirchenkreisjugenddienste und als Schulung für Jugendliche in Gesprächsführung und Seelsorge eingesetzt werden.

In den Jahren 2016 bis 2019 bot Eickhoff-Brummer am ZfSB zwei Schulungskurse in Systemischer Seelsorge an, an denen unter anderem Diakon*innen und Pastor*innen mit einem Schwerpunkt in der Jugendarbeit teilnahmen. „Aus diesen Kursen heraus kamen Anfragen nach Schulungsmaterial für eine Jugendseelsorge: Hauptamtlich Tätige suchten Material, um junge ehrenamtlich Tätige zu schulen.“

Parallel zu Petra Eickhoff-Brummer registrierte Marco Kosziollek im Landesjugendpfarramt vermehrte Anfragen aus der evangelischen Jugendarbeit: „Gesprächsführung allein als Thema in der Juleica-Ausbildung reicht offenbar nicht immer aus“, stellte er fest. „Seelsorge wurde und wird mehr und mehr zum Thema.“ Als früherer Stadtjugendpfarrer in Kassel ist Kosziollek mit dem Thema vertraut, arbeitete bereits in einem mehrteiligen Modul mit jungen Menschen daran.

Junge Teamer*innen, hier während der Vorbereitung einer Juleica-Ausbildung, sind oftmals erste Ansprechpersonen für Jugendliche mit Sorgen und Nöten. Foto: Andrea Hesse

Unabhängig voneinander begannen Eickhoff-Brummer und Kosziollek im Sommer 2019 mit jeweils einer kleinen Arbeitsgruppe mit den Überlegungen zum Thema – bis von Mitarbeitenden der Hinweis kam, dass auch an anderer Stelle parallele Arbeit geleistet wurde. Schon nach der ersten Kontaktaufnahme beschlossen Eickhoff-Brummer und Kosziollek, sich zusammenzutun; eine richtige und glückliche Entscheidung, wie beide heute sagen. Eickhoff-Brummer brachte sich als Fachfrau für das Thema Seelsorgeausbildung und -schulung ein; Kosziollek verfügt über große Feldkompetenz im Hinblick auf die Zielgruppe der jugendlichen Teamenden.

Insgesamt elf Autor*innen haben am Werkstattheft mitgearbeitet; unter ihnen Anna Thumser, Diakonin im Kirchenkreisjugenddienst Burgwedel-Langenhagen. „‚Was tun, wenn jemand weint?‘ – das ist genau die Kernfrage“, sagt sie. Seit Jahren bietet sie mit Kolleg*innen und einem großen Team von Ehrenamtlichen die Juleica-Ausbildung an, bereitet sie alljährlich intensiv vor und arbeitete bislang immer auch mit einem eigenen Modul zur Seelsorge. Weil die Nachfragen ihrer Teamer*innen nach Impulsen für eine Peer-to-Peer-Seelsorge immer drängender wurden, organisierte sie bereits 2017 im Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen einen stark nachgefragten Fortbildungstag „1. Hilfe für die Seele“ für Jugendliche.

Das Basis-Modul "Peer-to-Peer-Seelsorge" soll unter anderem in der Juleica-Ausbildung eingesetzt werden. Foto: Anna Thumser

„Entscheidend für mich ist, dass junge Menschen zu einer Haltung kommen, die ihnen einen differenzierten Umgang mit der Situation ermöglicht“, sagt Thumser. Da weint jemand, ich bin gerade Teamerin, kein anderer ist da – in dieser Situation nicht in Aktionismus zu verfallen, sei ein Ziel der Schulung. „Weinen heißt nicht immer, dass ein junger Mensch in großer seelischer Not ist – es ist erst einmal eine Kommunikationsform wie andere auch“, so Thumser. Jugendliche Teamer*innen könnten lernen, dass es zunächst einmal ums Wahrnehmen gehe, um die Auseinandersetzung mit dem Teil in ihnen selbst, der einfach nur weglaufen wolle, um die Erkenntnis, dass Menschen eigene Ressourcen haben, um Krisen zu überstehen, und nicht immer von anderen „gerettet“ werden wollen. Vor allem aber gehe es darum, die eigenen Grenzen zu kennen und nicht zu überschreiten.

„Jugendliche können das“, sagt Marco Kosziollek, verschweigt dabei aber auch die früheren innerkirchlichen Diskussionen um die Verwendung des Begriffes „Seelsorge“ nicht: Können das nicht nur ausgebildete Pastor*innen? Jugendliche können es innerhalb ihrer Erfahrungswelt auch, sind die Autor*innen des Werkstattheftes überzeugt. Junge Menschen brauchten aber klare Bestärkung darin, innere und äußere Grenzen zu kennen und zu respektieren. „Wir haben das ganze Schulungsmodul entlang der Frage entwickelt, welche seelsorglichen Aufgaben jugendliche Teamer*innen übernehmen können und wo sie überfordert sind oder zur Selbstüberforderung ermuntert werden“, erklärt Eickhoff-Brummer.

Aufbaumodul in Vorbereitung

Bereits in Vorbereitung ist ein zweites Werkstattheft mit einem Aufbaumodul zur Peer-to-Peer-Seelsorge. Dieses Schulungsmodul ist gedacht für Teamer*innen ab 18 Jahren, die die Juleica auffrischen wollen. Das Modul wird umfangreicher sein und mehr Gesprächstechniken als das Grundmodul enthalten: „Es geht unter anderem um aktives Zuhören, um systemische Fragen und Auftragsklärung“, sagt Petra Eickhoff-Brummer. „Die Dinge, die wir bei unserem Fortbildungstag ‚1. Hilfe für die Seele‘ erarbeitet haben, sind fast vollständig in dieses Aufbaumodul eingeflossen“, ergänzt Anna Thumser. Ähnlich verhält es sich bei allen anderen
Autor*innen des Aufbaumoduls: Im Sinne von „best practice“ fügte die Arbeitsgruppe bereits bewährtes Material zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammen. 

Alle Fotos zu diesem Artikel wurden 2019, also vor der Corona-Pandemie, aufgenommen.

Werkstattheft und Schulung

Das Werkstattheft "Peer-to-Peer-Seelsorge" soll in der Juleica-Ausbildung eingesetzt werden sowie als Modul für Multiplikator*innen, die als Fachkräfte junge Menschen in Gesprächsführung und Seelsorge weiterbilden möchten.

Um das Werkstattheft optimal zu nutzen, empfehlen die Entwickler*innen die Teilnahme an einer Schulung. Informationen hierzu gibt es bei Petra Eickhoff-Brummer (0511 790031-16, Petra.Eickhoff-Brummer@evlka.de) und Marco Kosziollek (0511 1241-573, kosziollek@kirchliche-dienste.de).