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„Seelsorge bietet ein breites Angebot in der Fläche“

Nachricht 18. Februar 2021

OKR Dr. Friedrich Ley beantwortet Fragen zur Seelsorge im Lockdown

Menschen in Trauer und seelischer Not waren im ersten Lockdown und in der Weihnachtszeit dankbar für die Telefonhotline der christlichen Kirchen in Niedersachsen. Foto: Photosforyou auf Pixabay

Mit welchen Fragen und Ängsten wenden sich Menschen in der Corona-Pandemie an Seelsorgerinnen und Seelsorger? Was können diese tun, um zu unterstützen und zu stärken? Mit diesen Fragen wandte sich Jenny Richter, Redakteurin im RTL-Landesstudio Niedersachsen, jetzt an das Zentrum für Seelsorge und Beratung. Für das TV-Regionalmagazin RTL Nord für Niedersachsen und Bremen beantwortete Oberkirchenrat Dr. Friedrich Ley, Leiter des Seelsorge-Referates der hannoverschen Landeskirche, diese und weitere Fragen der TV-Redaktion.

RTL: Welche Möglichkeiten der Seelsorge gibt es momentan?

Dr. Ley: Die Seelsorge bietet ein breites Angebot in der Fläche. Jede Kirchengemeinde bietet Seelsorge an. Wohnortnah, persönlich und diskret. Spezialisierte Seelsorgeangebote gibt es in Krankenhäusern, Altenpflegeeinrichtungen, Hospizen, in den Gefängnissen, für Polizei, Zoll und Militär, für Seeleute, am Flughafen und für Menschen mit Behinderungen. Eine besondere Reichweite haben die Angebote der Notfallseelsorge und die Telefonseelsorge. Letztere wird zurzeit in besonderer Weise nachgefragt.

Welche Angebote werden momentan besonders häufig genutzt und was denken Sie, warum?

Die Telefonseelsorge und die Angebote der Mail- und Chatseelsorge werden im Moment verstärkt in Anspruch genommen. Aufgrund der Kontakteinschränkungen sind hier im Augenblick Bedarf und Nachfrage stark angestiegen. Wir reagieren darauf, indem wir diese Seelsorgebereiche intensivieren und ausbauen. Das Team der Chatseelsorge beispielsweise bietet heute etwa doppelt so viele Chat-Termine an wie noch vor einem Jahr. Infolge der Pandemie verzeichnen wir starke Zuwächse in der digitalen Seelsorge. Die Landeskirche Hannovers wird in den nächsten zwei Jahren rund 200.000 Euro in den Ausbau der digitalen Seelsorge und in die bestehende Infrastruktur investieren. Niederschwelligkeit und Sicherheit der Angebote sollen weiter verbessert werden.

Es wurde ja extra eine Corona-Seelsorge-Hotline eingeführt. Warum wurde dieses neue Angebot geschaffen und wie kam es in Niedersachsen an?

Die Hotline ist in der ersten Phase des Lockdowns entstanden, um die Telefonseelsorge, deren Zahlen in der Zeit von März bis Mai erkennbar angewachsen waren, zu entlasten. In den Intensivphasen des Lockdowns hat es bundesweit etwa 20 Prozent mehr Anrufe als üblich gegeben. Und das waren nur die Anrufe, die das System der TS bewältigen konnte. Zur Entlastung und als Angebot speziell für einsame und ältere Menschen haben die Kirchen in Niedersachsen die Corona-Seelsorge-Hotline eingerichtet.

Warum ist Seelsorge so wichtig? Ist sie sogar wichtiger als vor der Pandemie geworden?

Die Pandemie zeigt uns unsere Grenzen auf. Die Menschen erleben eine Hilflosigkeit und Ohnmacht, die Pandemie verstärkt Einsamkeit und beruflichen bzw. schulischen Druck. Familien, Alleinerziehende und Alleinstehende, sie alle durchleben eine belastende Zeit. Da braucht es Möglichkeiten zum Reden, Angebote der Seelsorge und Beratung. Seelsorgerinnen und Seelsorger verfügen über eine hochqualifizierte Ausbildung, sie arbeiten 100-Prozent verschwiegen und unentgeltlich. Ihr Angebot steht allen Menschen offen, unabhängig von der Kirchenzugehörigkeit.

Mit welchen Fragen und Sorgen wenden sich Menschen an Sie?

Da gibt es zwei Bereiche, die ich nennen möchte: zum einen die Themen, die unabhängig von der Pandemiesituation den Menschen existentiell berühren – etwa Krisen wie Krankheit, Verlust, Trauer und Tod. Zum anderen gibt es Aspekte, die unter dem Druck des Lockdowns besonders verstärkt hervortreten: Einsamkeit, Depressionen oder auch aggressives und selbstverletzendes Verhalten, wirtschaftliche Sorgen und Beziehungskonflikte.

Was raten Sie Menschen, die in einer seelisch schwierigen Situation sind?

Suchen Sie sich Hilfe. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die es gibt. Digital und anonym. Oder aber im persönlichen Gespräch. Achten Sie darauf, dass die Angebote seriös sind und Sie wirklich qualifizierte Seelsorge und Beratung bekommen.