„Niemand bleibt davon unberührt“

Nachricht 15. Februar 2021

Eine wachsende Zahl von Menschen fühlt sich in der Pandemie deprimiert

Die Paarberatung in evangelischen Lebensberatungsstellen findet aktuell zum Teil online statt. Foto: Stefan Heinze

Aus Sicht von Rainer Bugdahn empfindet eine wachsende Zahl von Menschen ihre Lebenssituation in der fortdauernden Corona-Krise als bedrückend. „Ich nehme seit Beginn des Lockdowns im Dezember eine Art depressive Verstimmtheit wahr; bei unseren Klientinnen und Klienten, aber auch bei uns im Team“, sagt der theologisch-psychologische Leiter der Hauptstelle für Lebensberatung in der hannoverschen Landeskirche. Angesichts der nicht enden wollenden Beschränkungen nehme die Resignation zu. Viele Menschen fühlten sich eingesperrt und die kalte Jahreszeit sei eine zusätzliche psychische Belastung.

Einzelne könnten der Pandemiesituation zwar Positives abgewinnen, so Bugdahn: „Durch den Wegfall vieler Freizeittermine und das Homeoffice hat manche*r mehr Zeit und findet neue Muße – etwa um die Wohnung zu verschönern, die Natur vor der Haustür zu entdecken oder ein Buch zu lesen.“ Für die meisten überwiege aber die Mehrbelastung, hat Bugdahn festgestellt.

Auch in seiner täglichen Arbeit nehme er deutliche Veränderungen wahr: „Die Paarberatung führen wir seit längerem auch digital durch und es ist jedes Mal ein sehr langes Warm-Up nötig, damit ein Gefühl der Vertrautheit entstehen kann. In Präsenz ist das natürlich viel schneller da.“ Zwar komme kaum jemand wegen explizit Corona-bedingter Probleme in die Lebensberatung, erklärt der Theologe: Die Themen seien die gleichen wie vor der Pandemie. Es gehe um Trennung, Jobverlust, psychische Krisen; die Pandemie mit ihren Folgen führe aber in vielen Fällen zu einer Häufung der Probleme. So habe er einen Klienten aus der Gastronomie, der zeitgleich mit einer Trennungssituation und dem Jobverlust konfrontiert sei. Eltern, die mit ihrem Kind wegen Hyperaktivität schon seit Längerem in die Erziehungsberatung kämen, berichteten, dass sie sich in ihrer Wohnung wie zusammengepfercht fühlten und mit ihrem Kind zu Hause nicht mehr zurecht kämen.

„Auch wenn es nicht jeden so hart trifft, lässt die Situation doch niemanden unberührt“, betont Bugdahn. Bewusste Psychohygiene, etwa durch Konzentrationsübungen wie autogenes Training, könne Abhilfe schaffen – das Ziel müsse eine Haltung der Gelassenheit sein. „Gelassenheit kommt von lassen: Lassen Sie davon ab, gegen eine Situation anzukämpfen, die Sie nicht ändern können“, empfiehlt Bugdahn. „Setzen Sie sich nicht selbst unter Druck und nehmen Sie die Dinge an“, wendet sich der Lebensberater an alle, die sich psychisch belastet fühlen. Auch wenn das die Probleme nicht löse, könnten solche Übungen doch die Seele entlasten. (Quelle: epd)