Weder Schuld noch Tod

Nachricht 31. März 2021

Passions- und Osterspiel wird am Flughafen gedreht

Als besonders berührend empfand das Team die Kreuzigungsszene in der unterirdischen Versorgungsstraße. Foto: Henry Sisolefsky

Es sind die letzten Tage im Leben Jesu: der Einzug in Jerusalem durch ein Spalier jubelnder Menschen, der Rauswurf der geldgierigen Händler aus dem Tempel, das letzte Abendmahl im Kreise der Weggefährten, die Kreuzigung auf Golgatha. Es ist auch die Zeit einer weltweiten Pandemie: Das Volk, die Soldaten und die trauernden Frauen am Grab tragen Masken, sie halten Abstand voneinander und bewegen sich in menschenleeren Räumen.

Ein Passions- und Osterspiel im Jahr 2021 kann kaum so tun, als gebe es die Covid-19-Pandemie nicht – diesen Gedanken verfolgen Pastor Karl-Marin Harms von der ökumenischen Flughafenseelsorge und Landessozialpfarrer Matthias Jung in einem ungewöhnlichen Videoprojekt. Gemeinsam mit Laiendarsteller*innen und einem professionellen Filmteam setzten sie jetzt an einem langen Drehtag die Passions- und Ostergeschichte 2021 am Flughafen Hannover-Langenhagen in Szene.

Luis Beimfohr, 19-jähriger Abiturient aus Burgwedel und aktiv in der Evangelischen Jugend, verkörpert Jesus – eine Aufgabe, die er mit viel Freude übernahm, vor der er aber auch Respekt empfindet. „Ich habe mir schon überlegt, ob ich das wohl hinbekomme“, erzählt er während der Dreharbeiten. Besonders berührt ihn an diesem Tag die Kreuzigungsszene, die in einer unterirdischen Versorgungsstraße des Flughafens gedreht wird. In dem düsteren Betontunnel, die Kreuzigungsstätte rot angestrahlt, sind auch alle anderen Beteiligten berührt und hochkonzentriert – die Passionsgeschichte ist in diesem Moment so fühlbar wie wohl selten sonst.

Nach den Corona-Schnelltests für alle kam das Filmteam zur ersten Besprechung zusammen. Foto: Henry Sisolefsky

„Heute Morgen ist alles anders – die Frauen haben ihn gesehen!“ Mit diesem noch zaghaft jubelnden Ausruf des Johannes, gespielt von Superintendent Holger Grünjes, wechselt die Szenerie später zum Osterfest, das im Freien im Park auf dem Flughafengelände aufgenommen wird. „Jesus lebt! Er hat den Tod besiegt“, bekräftigen die Frauen, die das offene Grab entdeckt haben. Jesus selbst spricht dann die Worte, die so etwas wie das Zentrum des Video-Projektes bilden: „Weder Verzweiflung noch Scham oder Schuld noch Tod haben das letzte Wort. Denn ich lebe, und du sollst auch leben“, wendet er sich direkt an Judas, der ihn zuvor an die Henker verraten hatte.

Nach einem Skript von Landessozialpfarrer Matthias Jung aus dem Haus kirchlicher Dienste in Hannover hatte Flughafenseelsorger Karl-Martin Harms das sogenannte Storyboard, also die Verbindung von Text und szenischer Umsetzung, für den Flughafen Hannover-Langenhagen erarbeitet. Mit viel Gespür für die eigene Dramatik von Orten wählte er die Versorgungsstraße als Kreuzigungsort aus, die Flughafenkapelle für die Tempelreinigung und die Kantine als Ort des letzten Abendmahls.

In der Flughafenkapelle wurde die Tempelreinigung gedreht: Jesus (links, Luis Beimfohr) wirft die Händler*innen (Matthias Jung, Anita Peuser) aus dem Tempel. Foto: Andrea Hesse

„Bei unserer Anfrage an den Flughafen und die dort Arbeitenden sind wir mit unseren Plänen auf Begeisterung gestoßen“, erzählt Matthias Jung. Mit großer Freude beteiligten sich Mitarbeitende des Flughafens, der Sicherheitsfirma Securitas, der Johanniter und der Polizei sowie natürlich auch die ehrenamtlich Tätigen der ökumenischen Flughafenseelsorge an dem Projekt. Mit ebenso großer Freude versorgte der Flughafenseelsorger das Team mit Obst, Süßem und Getränken – natürlich alles unter Berücksichtigung strenger Hygiene- und Sicherheitsregeln in den ansonsten fast menschenleeren Terminals. Zur Sicherheit hatten alle Beteiligten am frühen Morgen, noch vor Beginn der Dreharbeiten, auch einen Corona-Schnelltest absolviert.

Die Frage nach dem ungewöhnlichen Drehort Flughafen beantworten Jung und Harms übereinstimmend: Wie kaum ein anderer Ort verkörpere der Flughafen in der Pandemie einen „Place of Transition“, einen Ort, der von extremer Veränderung betroffen ist und sich wandeln muss – analog zur Wandlung hin zu neuem Leben in der Ostergeschichte. Für Landessozialpfarrer Jung, der das Arbeitsfeld „Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt“ in Hannover leitet, kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: „Das ist einfach ein besonderer Ort in der Welt der Arbeit“, stellt er fest.

Das Passions- und Osterspiel am Flughafen Hannover-Langenhagen ist HIER zu sehen.