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Foto: Andrea Hesse

Es braucht Sensibilität und Aufmerksamkeit

Nachricht 07. März 2015

Erster Seminartag zur Seelsorge im multireligiösen Kontext

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Dr. Christina Kayales und Prof. Dr. Wolfgang Reinbold, Referenten des Fachtages zur Seelsorge im multireligiösen Kontext. Foto: Barbara Denkers

Fremdheit oder Nähe sind nicht immer dort zu finden, wo wir sie zunächst erwarten – unter anderem diese Botschaft vermittelte Dr. Christina Kayales den 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des ersten Seminartages zur Seelsorge im multireligiösen Kontext. Manchmal stünden sich die ältere Frau aus einer ländlichen Region Anatoliens und die ebenfalls ältere Frau aus dem Bayerischen Wald näher, als die Frau aus Bayern und ein junges Mädchen aus Berlin-Kreuzberg – um dies zu erkennen brauche es unvoreingenommene Aufmerksamkeit und Sensibilität.

Zu dem Seminartag in der Kapelle der Medizinischen Hochschule Hannover eingeladen hatte das Zentrum für Seelsorge, das damit den Aufschlag zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema machte. Unter der Überschrift „So nah und doch so fremd“ beschäftigte sich Referentin Dr. Christina Kayales, Seelsorgerin im Wilhelmsburger Krankenhaus Groß Sand und Interkulturelle Beraterin, mit der Seelsorge im multireligiösen Kontext des Krankenhauses und warb dafür, zunächst Fremdes tatsächlich als Fremdes wahr und ernst zu nehmen: „Nicht nur Angehörige anderer Religionen können uns als Fremde begegnen, auch Christinnen und Christen aus verschiedenen Ländern und Erdteilen können wir als sehr fremd erleben.“ Die dabei erlebten Verunsicherungen sollten nicht einfach übergangen werden, so das Plädoyer der Hamburger Seelsorgerin, sie dürften aber auch nicht zu einer Art Lähmung führen. „Ein guter Weg ist es, vorsichtig eigene Erfahrungen zu sammeln und sich gegebenenfalls behutsam beim Gegenüber zu versichern, was in der Begegnung angemessen und was unangemessen ist“, so Kayales. Es gehe darum, sich Sensibilität für unterschiedliche Kulturen anzueignen und sich gleichzeitig dem jeweils besonderen Patienten als Individuum zu nähern.

Nicht selten erlebe sie als Krankenhausseelsorgerin, dass es im Behandlungsprozess oder im Rahmen von Therapieentscheidungen zu einer Eskalation aufgrund von Sprachproblemen und kulturell bedingten Verständnisschwierigkeiten komme, berichtete die Referentin: „Oftmals kann dann die Seelsorge den Prozess verlangsamen und beruhigen – sowohl Patienten und Angehörige als auch Ärzte und Pflegekräfte.“

Prof. Dr. Wolfgang Reinbold, Beauftragter für Kirche und Islam der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und Vorsitzender des Hauses der Religionen in Hannover, gab einen Einblick in die Arbeit der muslimischen Verbände Schura und DITIB. Weiter berichtete er von den in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich weit gediehenen Verhandlungen zu Staatsverträgen zwischen den Landesregierungen und den Verbänden – so wurde etwa in Niedersachsen ein Vertrag über den Einsatz ehrenamtlicher muslimischer Gefängnisseelsorger abgeschlossen, ohne dass zunächst über Fragen der Ausbildung der Ehrenamtlichen verhandelt wurde.

„Ein lohnender Tag, der uns eine gute Einführung in ein hochinteressantes und aktuelles Thema geboten hat“, lautete am Ende das Fazit der Teilnehmenden. Auch Organisator Andreas Kunze-Harper vom Zentrum für Seelsorge äußerte sich zufrieden: „Ich habe den Tag als dicht und lohnend erlebt und von Anfang bis Ende hohe Aufmerksamkeit und engagierte Beteiligung wahrgenommen.“