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Foto: Andrea Hesse

"Beiden gemeinsam ist die Leidenschaft"

Nachricht 05. Juni 2016

Fachtag beleuchtet das Verhältnis von Seelsorge und Psychologischer Beratung

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Innige Verbindung: Tine Weiß und Mark von Rahden. Foto: Andrea Hesse

„Seelsorge in der Gemeinde ist verborgen – sie lässt sich nicht dokumentieren. Anders als die Psychologische Beratung folgt sie nicht dem Paradigma ‚Problem und Lösung‘ und sie führt nicht durch Methoden, sondern durch Haltung zum Ziel.“ Dr. Jürgen Ziemer, Professor em. für Praktische Theologie an der Uni Leipzig und Verfasser des Standardwerkes „Seelsorgelehre“, eröffnete seinen Eingangsvortrag zum Fachtag des Zentrums für Seelsorge mit dem Blick auf das, was Seelsorge und Psychologische Beratung unterscheidet. Allerdings, so Professor Ziemer weiter, verlaufe dieser Unterschied nicht entlang einer klaren Linie: Die Haltung den Menschen gegenüber sei auch ein Kennzeichen der Beratung in evangelischer Trägerschaft.

Einen Tag lang widmete sich das ZfS in Vorträgen und Diskussion dem Verhältnis von Seelsorge und Psychologischer Beratung; rund 80 Interessierte aus beiden Arbeitsfeldern kamen dazu im Festsaal des Stephansstiftes in Hannover zusammen. Martin Bergau, Direktor des ZfS, und Rainer Bugdahn, Leiter der Hauptstelle für Lebensberatung in der hannoverschen Landeskirche, freuten sich sowohl über die starke Resonanz als auch darüber, dass fast ebenso viele Beraterinnen und Berater wie Seelsorgende der Einladung gefolgt waren. Ziel des Fachtages unter dem Titel „Seelsorge – Beratung – Leidenschaft“ war es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, vor allem aber die gemeinsamen Zukunftschancen von Seelsorge und Beratung auszuloten.

Seelsorge braucht die Psychologische Beratung


„Beiden Arbeitsfeldern gemeinsam ist die Leidenschaft für Menschen und das Menschliche, für das Konkrete, Lebendige und Wirkliche“, nahm Jürgen Ziemer Bezug auf den Titel des Fachtages. Die Seelsorge, insbesondere die Gemeindeseelsorge, brauche die Psychologische Beratung mit ihrer Methoden- und Fachkompetenz zur Entlastung an den eigenen Kompetenzgrenzen, zur Kooperation in religionskritischen Fragen und prophylaktisch für elementare Lebensprobleme in der Gemeinde. Um das Verhältnis zueinander zu klären und weiter zu entwickeln, wünsche er sich feste Kommunikationsstrukturen, beispielsweise in gemeinsamen Supervisionsrunden. „Der Pastoralpsychologie kann in diesem Zusammenhang eine Brückenfunktion zukommen“, so Professor Ziemer.

Die Psychologische Beratung sehe den Menschen als konflikthaftes, auf Beziehungen angewiesenes Wesen, erklärte Jutta Lutzi, Landeskirchliche Beauftragte für psychologische Beratungsarbeit in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. „Für einige Konflikte kann auch die Seelsorge das richtige Instrument sein.“ Dennoch: Die Begegnung sei nicht immer einfach, erklärte Lutzi und verglich Seelsorge und Beratung mit zwei verschiedenen, aneinandergrenzenden Gärten – zwischen denen es allerdings keinen Zaun brauche. „Die Begegnung wird spannender, wenn man sich in gewisser Weise fremd bleibt und sich damit den Blick des Außenstehenden auf die Dinge bewahrt“, erklärte die Diplom-Psychologin ihre Sichtweise. „Unterscheidung ist wichtig: Sie bedeutet Erweiterung und Weitung des Blickes – auch Gott hat Tag und Nacht voneinander unterschieden“, ergänzte Dr. Karin Jakubowski, Leiterin der evangelischen Lebensberatungsstelle in Winsen/Luhe. Gemeinsame Basis sei die ethische Grundhaltung allen Menschen gegenüber – das christliche Menschenbild.

Kostbares Gut für die Seelsorge


In der abschließenden Podiumsdiskussion würdigte Christine Behler, Gemeindeseelsorgerin aus Arnum, die Psychologische Beratung als kostbares Gut für die Seelsorge: „Es ist für mich unglaublich entlastend, dann, wenn ich nicht mehr weiter weiß, bei der Psychologin nebenan klopfen und sie um Rat fragen zu können.“ Dr. Ralph Charbonnier, EKD-Referent und Mitglied des ZfS-Kuratoriums, bewertete die Unterschiede in Setting, Zielgruppen und Methoden als hilfreich und regte an, die spirituelle Kompetenz der Seelsorge deutlich stärker als bislang in die Beratungsstellen hinein zu tragen.

Widergespiegelt wurde die Leidenschaft, mit der sich der Fachtag seinem Thema widmete, von Tine Weiß und Mark von Rahden: Das Paar vom Club de Tango in Hannover zeigte auf dem eigens verlegten Tanzboden mehrere klassische Tangos und erklärte den Teilnehmenden das Prinzip „Führen und folgen“ – zum Ausprobieren für alle. „Beim Tango ist es das Wesentliche, den Kontakt nicht zu verlieren“, stellte Pastoralpsychologe Gert Stührmann die Verbindung zum Verhältnis von Seelsorge und Beratung her.