Fast ein Viertel aller Anrufer*innen bei der Telefonseelsorge leidet unter Einsamkeit – diese Zahl wurde jetzt erneut durch die Statistik für das Jahr 2021 bestätigt. „Bundesweit wurde das Thema Einsamkeit in fast 23 Prozent aller Gespräche explizit angesprochen“, sagt Diakon Daniel Tietjen, landeskirchlicher Beauftragter für die Telefonseelsorge am Zentrum für Seelsorge und Beratung in Hannover. Mit einem vergleichbaren Wert treffe dies auch auf die sechs Telefonseelsorgestellen in der hannoverschen Landeskirche zu. „Einsamkeit ist eines der Hauptthemen in unseren Gesprächen“, berichtet Tietjen. Dies sei ganz unabhängig von der Corona-Pandemie auch in früheren Jahren schon der Fall gewesen; das Virus mit seinen zum Teil massiven Folgen insbesondere für ältere Menschen habe deren Situation jedoch vielfach verschärft.
Fast 49.000 Telefongespräche, 3.500 Chats und 1.700 Mails führten bzw. schrieben die ehrenamtlich Mitarbeitenden in den Telefonseelsorgestellen Elbe-Weser, Soltau, Göttingen, Wolfsburg, Osnabrück und Hannover im Jahr 2021 (Monat Dezember hochgerechnet). Im Tagesdurchschnitt gab es 137 Gespräche. Sowohl bundesweit, wie auch für die hannoversche Landeskirche, stellt die Statistik für November einen Rückgang von etwa zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat fest: „Wir sind in den Normalbetrieb zurückgekehrt“, erklärt Tietjen. Im Herbst 2020 seien mit dem zweiten Lockdown kurzfristig zusätzliche Leitungen geschaltet worden und die ehrenamtlich Tätigen hätten alles gegeben, um möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zum Gespräch zu bieten. „Wir haben es in allen Corona-Wellen geschafft: Die Telefonseelsorge war immer da“, sagt der landeskirchliche Beauftragte voller Anerkennung für die Mitarbeitenden, die ihren Dienst durchweg ehrenamtlich leisten.
Weitere Themen, etwa depressive Stimmungen oder Ängste, wurden im zu Ende gehenden Jahr ebenso häufig angesprochen wie im Vorjahreszeitraum. „Einen Unterschied können wir aber bei den Gesprächen zum Corona-Virus feststellen“, so Tietjen. Während das Augenmerk der Anrufer*innen 2020 vorwiegend auf die persönliche Situation und das engere Umfeld gerichtet war, habe sich die Wahrnehmung bei vielen nun auch auf den öffentlichen Streit rund um das Impfen ausgeweitet: „Aufgrund der besorgniserregenden Entwicklung der Inzidenzzahlen, des wachsenden Unmuts über Ungeimpfte und auch der Klagen über deren Ausgrenzung stieg die Zahl der Gespräche zu diesem Thema in den vergangen Wochen deutlich an.“ Für alle Mitarbeitenden der Telefonseelsorge sei das eine Herausforderung; manchmal aber gelinge es ihnen, durch die Anregung zum Perspektivwechsel bei ihren Gesprächspartner*innen Türen zu öffnen. Noch größer als in der hannoverschen Landeskirche sei die Herausforderung in den ost- und süddeutschen Bundesländern, berichtet Tietjen: „Hier ist das Thema Corona durch die Decke gegangen.“
Die Telefonseelsorge leistet auch unter diesen Bedingungen ihren Dienst, sie ist für die Menschen da, selbst wenn in der Pandemie sonst kaum noch etwas geht. „Das ist das Entscheidende“, sagt Daniel Tietjen schlicht.