Foto: Gert Stührmann

Wunsch nach Erzählräumen

Nachricht 14. März 2019

Kirche braucht das intergenerationelle Gespräch

In einem intensiven Gespräch diskutierten die Teilnehmenden den Bericht des PPD. Foto: Gert Stührmann

„Generationswechsel in der Pfarrerschaft. Warum die Kirche das intergenerationelle Gespräch unter ihren Pastorinnen und Pastoren braucht“ – so lautet der Titel des aktuellen Jahresberichtes des Pastorapsychologischen Dienstes (PPD) im Zentrum für Seelsorge. Wie schon in den Vorjahren geht dieser Bericht weit über einen reinen Tätigkeitsbericht hinaus: „In seinen Jahresberichten versucht der PPD, die Stimmungen bei kirchlichen Mitarbeitenden wahrzunehmen, sie zu verstehen und zur Sprache zu bringen“, erklärt Gert Stührmann, Vorsitzender der Fachgruppe Pastoralpsychologischer Dienst.

Sich einlassen auf das, was befremdet

Zur Vorstellung des Jahresberichtes hatte das Zentrum für Seelsorge (ZfS) gemeinsam mit dem PPD zu einem Fachgespräch eingeladen. Ziel war es, psychodynamische Aspekte im spannungsvollen Miteinander der Generationen in den Blick zu nehmen in dem Vertrauen, dass die Generationen voneinander lernen können. „Dies gelingt nur, wenn Junge wie Alte mehr von den Anliegen der jeweils anderen Seite verstehen und sich einlassen auf das, was befremdet oder gar abstößt“, ist Gert Stührmann überzeugt.

Gemeinsam mit Angela Grimm, Direktorin des Zentrums für Seelsorge, konnte Stührmann 24 Vertreterinnen und Vertreter aus dem ZfS, aus verschiedenen Weiterbildungseinrichtungen und aus dem Landeskirchenamt sowie Superintendentinnen und junge Theologen zu diesem Fachgespräch in den Räumen des ZfS begrüßen.

Entwicklung von der Lebensform zur Berufsform

Claudia Panhorst-Abesser und Matthias Wille, Mitarbeitende des PPD und Autoren des aktuellen Jahresberichtes, betonten, dass in ihrer Arbeit die Generationenfrage in den größeren Zusammenhang der soziologischen Forschung gestellt werde. Dabei ließen sich typische Differenzen zwischen den Generationen beobachten: Unter dem Stichwort „Kirchenreform“ führen sie unter anderem die abnehmende Bedeutung der Volkskirche als Verlusterfahrung auf, die von den Älteren noch verarbeitet werden müsse, während sie für junge Pastorinnen und Pastoren bereits selbstverständlich sei. Panhorst-Abesser und Wille lenken den Blick auch auf die veränderte Ausgestaltung des Pfarrberufes: „Während das Leben im Pfarrhaus für die ältere Generation von äußeren und inneren Kämpfen um die Privatsphäre geprägt war, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die jüngere Generation Voraussetzung für die Ausübung des Berufes. Der Generationswechsel wird daher auch geprägt durch den Übergang des Pfarrberufes von einer Lebensform hin zu einer Berufsform.“ Auf die daraus resultierende Fähigkeit der jüngeren Generation zur Abgrenzung blickten viele Ältere neidvoll.

Auch im Verhältnis der Pastorinnen und Pastoren zur Kirchenleitung gebe es auffällige generationsbedingte Unterschiede, stellten die Autoren des Jahresberichtes heraus: „Aufgrund von Brüchen in der Berufsbiographie ist die Beziehung der älteren Generation häufig von Kränkungserfahrungen geprägt. Die junge Generation erlebt sich dagegen als von der Kirchenleitung Umworbene.“

Besinnung auf die primäre Aufgabe

Diese Unterschiede führten unweigerlich zu Konflikten zwischen den Generationen, stellt der Bericht des PPD fest. Zu beobachten sei, dass es beiden Seiten schwer falle, mit der Ambivalenz der Gefühle angemessen umzugehen: „Unangenehme Gefühle werden abgewehrt und der anderen Generation unbewusst übertragen.“ Das Verhältnis der Generationen könne jedoch verbessert werden, indem im Austausch sowohl die eigenen als auch die Gefühle des Gegenübers wahrgenommen und mit ihren Hintergründen verstanden würden. „Dabei ist die Wiederaufwertung der Drei-Generationen-Perspektive hilfreich, die den roten Faden von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sichtbar macht“, sagt Gert Stührmann. „Jung und Alt in sich selbst denken zu können – das kann dabei ein Ziel sein.“ Schließlich – und nicht zuletzt – sei die Besinnung auf die primäre Aufgabe hilfreich: „Bei allem, was möglich und zu tun ist, bleibt doch allen das Vertrauen auf Gottes Segen.“

In Gesprächsgruppen im Anschluss an die Vorstellung des Berichtes wurde deutlich, dass sich die Beobachtungen des PPD weitgehend mit den Erfahrungen der Anwesenden decken. Sie betonten, dass der Bericht für das Verständnis wichtige Gedanken und Bilder biete; vor allem die Drei-Generationen-Perspektive sei hilfreich. Darüber hinaus beschäftigte sich die Gruppe intensiv mit dem sich verändernden Verständnis des Pfarrberufes und der Schaffung von generationenübergreifenden „Erzählräumen“. Schließlich wurde auch die große Bedeutung und Verantwortung von Kirchenleitung für das intergenerationelle Gespräch betont.

Gert Stührmann zeigte sich zum Ende des Fachgespräches beeindruckt: „Der Wunsch nach einem intergenerationellen Erzählraum, den viele Pastorinnen und Pastoren haben, ist heute im Rahmen dieses Gespräches erfüllt worden.“

Matthias Wille (von links) und Claudia Panhorst-Abesser im Gespräch mit Petra Eickhoff-Brummer und Angela Grimm vom Zentrum für Seelsorge. Foto: Gert Stührmann