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Foto: Andrea Hesse

"Resilienz hat ein eigenes Geheimnis"

Nachricht 03. April 2017

Bundeskongress Notfallseelsorge und Krisenintervention in Hannover

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Rund 90 Freiwillige aus Notfallseelsorge, Feuerwehr und Rettungsdiensten sorgten in Zusammenarbeit mit dem Veranstaltungsmanagement der hannoverschen Landeskirche für eine gut funktionierende Organisation. Foto: Andrea Hesse

Ist Resilienz machbar? Unter dieser Fragestellung, betrachtet aus der Perspektive der Wissenschaft und der der Kirchen, beschloss ein Podiumsgespräch den 18. Ökumenischen Bundeskongress Notfallseelsorge und Krisenintervention, der vom 30. März bis zum 1. April in Hannover stattfand.

„Nach jahrelanger Forschung und intensiver Beschäftigung mit dem Thema fällt es mir mittlerweile immer schwerer zu sagen, was Resilienz ist – Resilienz hat ein eigenes Geheimnis“, stellte Dr. Irmtraud Beerlage, Psychologie-Professorin an der Hochschule Magdeburg-Stendal, fest. Sie halte es für ausgesprochen wichtig, im Rahmen der Resilienzforschung nicht nur die stärkenden Faktoren des Individuums zu betrachten sondern auch der Frage nachzugehen, was das Gemeinwesen gesund erhalte.

Bischof Norbert Trelle vom Bistum Hildesheim würdigte die Resilienz als eine Form der Standhaftigkeit, die nicht mit Starrheit zu verwechseln sei und geistige Elastizität erfordere, nicht jedoch wetterwendisches Verhalten.
Die Bedeutung stabiler Beziehungen rückte Landesbischof Ralf Meister mit Blick auf einzelne Resilienzfaktoren in den Fokus: „Darin ist der christliche Glaube der Hammer!“ Menschen die im Glauben lebten, würden durch eine innere Gewissheit gehalten und könnten sich innerhalb der prägenden Ritualisierung durch das Beten orientieren: „Das kann unglaubliche Stabilität geben.“ Ein mögliches posttraumatisches Wachstum formulierte Dr. Christoph Kröger, Leiter der Psychotherapieambulanz in Braunschweig: „Nach einem traumatisierenden Ereignis wird es für die Betroffenen nie wieder so werden wie vorher.“ Welche Faktoren nötig sind, um die erforderliche Anpassungsleistung für eine Rückkehr ins Leben zu erbringen und vielleicht sogar daran zu wachsen, ist auch für Kröger nicht geklärt: „Vielleicht ist es ein bestimmter genetischer Code, auf alle Fälle aber ein individueller Faktor, der in der Kindheit begründet liegt und sich mit der Zeit verändert.“

Gefahr der Instrumentalisierung
 

Die Gefahr einer Instrumentalisierung der Resilienzforschung, die Moderatorin Dr. Jutta Helmerichs vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ansprach, sei gegeben, bestätigten die Wissenschaftler auf dem Podium ebenso wie die Kirchenvertreter: „Der Begriff des Resilienz-Managements, der gerne in der Wirtschaft verwendet wird, impliziert die Optimierung von Menschen hin zu einem möglichst wenig störenden Verhalten“, beklagte Irmtraud Beerlage. Dennoch: „Dort, wo man in Resilienz investiert, erreicht man auch eine Stärkung der Gemeinschaft“, ist die Wissenschaftlerin überzeugt.

Dem Podiumsgespräch vorausgegangen waren drei Kongresstage im Congress Centrum Hannover, prallvoll mit 28 jeweils dreistündigen Workshops, Gottesdienst, Empfang der Kirchen und vier Fachvorträgen. Thematisiert wurden unter anderem die physiologischen Abläufe im Gehirn von Menschen in der Folge eines Akuttraumas und der mögliche Weg zurück ins Leben, die wachsende Gefahr, Resilienz als neoliberale Verpflichtung zur Selbstoptimierung zu begreifen, die Bedeutung von Sport für die Therapie von Depressionen sowie die Risiko- und Schutzfaktoren zur Beurteilung psychischer Beeinträchtigungen bei Rettungskräften. Als herausragende Resilienzfaktoren bewertete Christoph Kröger in diesem Zusammenhang die wechselseitige Anerkennung innerhalb der Teams, Empathie und Achtsamkeit, gleichzeitig aber auch eine angemessene Emotionskontrolle, um nicht selbst in das traumatisierende Geschehen hineingezogen zu werden.

Das Gespräch wird weitergehen
 

„Danke für Ihre Teilnahme und Ihre Bereitschaft, mit uns zu diskutieren – das Gespräch wird weitergehen“, verabschiedeten Joachim Wittchen und Matthias Gottschlich, Hauptorganisatoren von evangelischer und katholischer Seite, schließlich die 550 Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet. Etwa 90 Freiwillige aus der Notfallseelsorge, aus Rettungsdiensten und Feuerwehr hatten in Zusammenarbeit mit dem Veranstaltungsmanagement der hannoverschen Landeskirche dafür gesorgt, dass die Organisation einwandfrei funktionierte. „Drei großartige Tage, in denen ich viel gelernt habe“, lautete denn auch das Fazit einer Teilnehmerin, die aus Bayern angereist war.

Veranstalter der Kongresses waren die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers und das Bistum Hildesheim in Kooperation mit der Hanns-Lilje-Stiftung, der Akademie, Versicherer im Raum der Kirchen, der Konferenz Evangelische Notfallseelsorge (KEN), der hannoverschen Feuerwehr, dem Bonifatius-Werk und der Firma Diedrichs Markenvertrieb. Organisatorische Unterstützung leisteten DRK, Johanniter und Malteser.