Schwerhörigenseelsorge

Schwerhörigenseelsorge ermuntert, begleitet und berät

"Ich verstehe Sie nicht. Ich bin schwerhörig.“ Wer sich traut, diese Sätze auszusprechen, ist auf gutem Weg. „Können wir gemeinsam eine Situation schaffen, in der ich Sie verstehen kann?“ Wer sich auch noch diesen Satz zu sagen traut, hat das Ziel fast erreicht.

Schwerhörigenseelsorge ermuntert schwerhörige Menschen, selbstbewusst und offen mit ihrer Einschränkung umzugehen. Sie stärkt sie in dem Wissen, dass sie als Geschöpfe Gottes in ihrer Einschränkung nicht nur vollständig angenommen, sondern auch als Bereicherung angesehen werden.

Sie begleitet und berät Angehörige von Schwerhörigen. Sie schafft in einer Kirche des gesprochenen Wortes die Möglichkeit, dieses Wort für Schwerhörige adäquat „auszusprechen“ und bedient sich dazu bei Gottesdiensten, in Andachten und in der Seelsorge auch nonverbaler, digitaler Kommunikationsformen.

Schwerhörigenseelsorge trägt mit Vorträgen im kirchlichen und außerkirchlichen Kontext dazu bei, dass das Thema Schwerhörigkeit in Kirche und Gesellschaft vernetzt wahrgenommen wird.

Regelmäßig unregelmäßig: Ermunterungstexte

Beate Gärtner schreibt als Beauftragte für Schwerhörigenseelsorge regelmäßig unregelmäßig Ermunterungstexte. Einige dieser Texte werden auf dieser Seite veröffentlicht; in der Spalte rechts finden Sie den Link zum Download.

Alle Ermunterungstexte werden über einen dafür eingerichteten Verteiler verbreitet. Wer in diesen Verteiler aufgenommen werden möchte, schreibe eine kurze Mail an Beate.Gaertner@evlka.de.

Schneckenfrau

Eine meiner Klientinnen ist Künstlerin. In einem unserer Gespräche zeigte sie mir eine Mappe mit ihren Werken. Von dem Bild „Schneckenfrau“ war ich sofort begeistert – und zwar wegen seiner Doppeldeutigkeit.

Ich fragte die Künstlerin, ob ich dieses Werk für meine Ermunterungstexte verwenden dürfe, und ob sie mir einige Informationen zur Entstehung des Bildes zukommen lassen könne. Sie bejahte beides, und deshalb lasse ich sie jetzt erst einmal selbst sprechen:

„Das Bild heißt Schneckenfrau und entstand 1984 für meine dritte Ausstellung in Bremen als Teil einer Porträtserie. Das Schneckenhaus auf dem Kopf war eine spontane Eingebung, die mir gut zum Gesichtsausdruck und dem blauen Hintergrund zu passen schien.

Das Bild hatte ich mit Pastellkreide angefertigt, die immer fixiert werden muss, damit sie auf dem Papier haftet. Leider war die Düse der Sprühdose defekt, und es landeten viele dicke Tropfen auf der Zeichnung, die nicht mehr verschwinden wollten. Ich ärgerte mich sehr … Schließlich hatte ich eine weitere Idee und verwandelte die hässlichen Sprühkleckse in Regentropfen.

Dann dachte ich: ‚Was mir aus Versehen doch für eine passende Darstellung meiner beson-deren Befindlichkeiten, über die ich damals nicht sprechen sollte/wollte/konnte, gelungen ist!‘ Zu diesem Zeitpunkt hörte ich schon nicht mehr gut, und es war schwer, über eine Behinde-rung zu schweigen, mit der ich täglich konfrontiert war und die mich beeinträchtigte. Ich stand buchstäblich im Schneckenhaus gefangen im Regen.“

Das war 1984. Inzwischen sind 40 Jahre vergangen, und die Schneckenfrau gibt es noch immer. Aber wenn ich sie heute betrachte, dann sehe ich sie mit ganz anderen Augen als die Künstlerin. Für mich ist diese Schneckenfrau in den vergangenen 40 Jahren nämlich so aus sich herausgewachsen, dass sie ihrem Schneckenhaus entwachsen ist.

Sie steht schon lange nicht mehr von ihm gefangen im Regen. Nein, sie hat diesem Schnecken-haus in ihrem Kopf inzwischen genau den Ort zugewiesen, wo es hin gehört. Und ihm zugleich die Funktion gegeben, die es hat: nämlich als winzig kleine Cochleae – oder soll ich besser sagen: als winzig kleine Hörschnecken – hinter ihren beiden Mittelohren!

Auf diese Hörschnecken gibt sie gut acht. Und manchmal sorgt sie sich auch um sie. Das kann man auf dem Bild immer noch deutlich erkennen. Aber sie lässt sich von ihnen nicht mehr so einengen, dass sie darüber Tränen vergießt. Sie hat ja bereits vor 40 Jahren begonnen, über ihre Behinderung zu reden, indem sie dieses Bild malte. Und sie wird darüber auch nicht mehr schweigen.

Der Blick der Schneckenfrau hat sich geweitet. Mit wachen Augen blickt sie so durch die Regentropfen hindurch aus dem Bild heraus, dass ich auf Grund der vorhin schon benannten Doppeldeutigkeit nun Folgendes sehe: Sie und ihre Hörschnecken haben ein gutes Miteinander gefunden.

Und: Ihr Schneckenhaus ist zu einem schönen, die Schneckenfrau schützenden und schmückenden Hut geworden!

Pastorin Beate Gärtner, Zentrum für Seelsorge und Beratung
Beauftragte für Schwerhörigenseelsorge der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers

Ihre Ansprechpartnerin

Pastorin Beate Gärtner
Tel.: 0170 6709550

Landeskirchliche Beauftragte für Schwerhörigenseelsorge