Einsatzzahlen der Notfallseelsorge steigen

Nachricht 14. März 2023

„Hinter jeder Alarmierung steht ein schlimmes Erlebnis“

Die stille Katastrophe im dritten Stock macht den Großteil der Einsätze in der Notfallseelsorge aus. Foto: Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen

Es sind eindrucksvolle Zahlen, die Pastor Joachim Wittchen, landeskirchlicher Beauftragter für die Notfallseelsorge, jetzt vorstellte: Auf dem Gebiet der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers wurde die Notfallseelsorge (NFS) im Jahr 2022 in 2.188 Fällen gerufen. In der Statistik erfasst sind Zahlen aus 50 Notfallseelsorge-Systemen – vom Emsland bis ins Wendland, von Cuxhaven bis Hannoversch Münden, zumeist auf Ebene der Kirchenkreise organisiert. Die Einsatzzahlen der Landeskirche Schaumburg-Lippe sind ebenfalls enthalten: Sie unterhält ein gemeinsames NFS-System mit dem Kirchenkreis Grafschaft Schaumburg.

„Hinter jeder Alarmierung der Notfallseelsorge steht ein schlimmes, manchmal traumatisches Erlebnis“, sagt Joachim Wittchen. „Angehörige, die den Tod eines nahestehenden Menschen erlebt haben; Hinterbliebene, die mit einem Suizid konfrontiert werden; Eltern, die ein Kind begraben müssen – hinter jedem Einsatz steht ein menschliches Schicksal.“ Die beruflich und ehrenamtlich in der Notfallseelsorge Mitarbeitenden könnten all das nicht ungeschehen machen, „aber sie können ein Stück begleiten und die Betroffenen darin unterstützen, erste Schritte zu finden zurück in ein Leben, das plötzlich völlig anders ist, als es gerade noch war.“

Anstieg der Einsatzzahlen um acht Prozent

„Die Zahlen haben einen neuen Höchstwert erreicht: Die Zahl der Einsätze ist im Vergleich zum Jahr 2021 mit damals 2.020 Fällen um rund acht Prozent gestiegen“, erläutert Wittchen. Weiter zeige sich, dass die Zahl der beruflich Mitarbeitenden in der Notfallseelsorge aufgrund der Altersstruktur und damit zusammenhängender Wechsel in den Ruhestand weiterhin zurückgehe: Erfasste die Statistik 2021 noch 813 Pastorinnen, Diakone und katholische Pastoralreferenten in der Notfallseelsorge, waren es 2022 nur noch 807. Dem gegenüber erreichte die Zahl der ausgebildeten ehrenamtlich Mitarbeitenden mit 171 (2021: 135) einen neuen Höchststand.

Wer ehrenamtlich in der Notfallseelsorge mitarbeiten möchte, muss sich intensiv für diesen Dienst schulen lassen. Dezentrale Ausbildungsgänge gibt es unter anderem in Form der Basiskurse „Seelsorge für ehrenamtlich Tätige“ und der Grundmodule für Notfallseelsorge am Zentrum für Seelsorge und Beratung; weitere Ausbildungsmöglichkeiten werden im Bistum Osnabrück angeboten. „In der Ausbildung für ehrenamtliche Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger arbeiten die evangelische und die katholische Kirche zum Vorteil aller Beteiligten eng zusammen“, so Wittchen. „Darüber freue ich mich sehr.“

Die stille Katastrophe im dritten Stock

Zu rund 80 Prozent fanden die 2.188 NFS-Einsätze im Jahr 2022 im innerhäuslichen Umfeld statt; nur zu etwa 20 Prozent im öffentlichen Raum. Diese Zahlen entsprächen der Verteilung der Einsätze in den Vorjahren, erklärt Joachim Wittchen. „Und sie zeigen wieder einmal, dass die Notfallseelsorge viel häufiger bei der stillen Katastrophe im dritten Stock, als beim schlimmen Unfall auf der Bundesstraße aktiv werden muss. Der innerhäusliche Einsatz ist und bleibt Schwerpunkt unserer Arbeit – auch wenn das nicht ganz dem Bild entspricht, das die Öffentlichkeit vielfach von der Notfallseelsorge hat.“

Die Notfallseelsorge in der hannoverschen Landeskirche ist dem Zentrum für Seelsorge und Beratung zugeordnet. Dessen Direktorin Angela Grimm spricht allen Mitarbeitenden, die sich in diesem Arbeitsfeld beruflich oder ehrenamtlich engagieren, großen Dank aus: „Ihre Tätigkeit, die oft im Verborgenen geschieht, ist wichtig und sinnstiftend. Einfach da sein, Zeit haben, zuhören, begleiten, wenn andere Schweres erfahren oder erleiden, ist ein Auftrag der Seelsorge schlechthin.“