Ein Ankerplatz für Seelsorge und Beratung

Nachricht 10. Januar 2023

„Digitales Haus für Seelsorge und Beratung“ geht im Frühjahr online

Pastor Achim Blackstein

Die Corona-Krise hat der Digitalisierung einen enormen Schub gegeben; gleichzeitig vielfach ins Bewusstsein gerückt, wie wichtig das Miteinanderreden für das menschliche Zusammenleben ist. So verzeichnen auch Seelsorge und Beratung in Kirchengemeinden und Einrichtungen eine wachsende Nachfrage. Die hannoversche Landeskirche geht vor diesem Hintergrund im Frühjahr 2023 mit dem „Digitalen Haus der Seelsorge und Beratung“ online. In geschützten virtuellen Räumen können hier Seelsorge oder Rat suchende Menschen mit Seelsorger:innen und Berater:innen ins Gespräch kommen. Möglich ist das per Chat, E-Mail oder Video-Gespräch.

Pastor Achim Blackstein, landeskirchlicher Beauftragter für Digitale Seelsorge und Beratung am Zentrum für Seelsorge und Beratung (ZfSB), koordiniert und begleitet das Projekt „Hausbau“ seit 2019. Im Gespräch erklärt er, worum es dabei geht.

Herr Blackstein, die Mauern für das „Digitale Haus der Seelsorge und Beratung“ stehen und im Frühjahr soll die Plattform unter dem Namen „Ankerplatz“ online gehen. Was versprechen Sie sich von dem Angebot und wen sprechen Sie mit dieser modernen Form der Lebenshilfe an?

Zuerst verspreche ich mir, dass Seelsorge und Beratung weiter nach vorne getragen werden. Die Seelsorge muss einen prominenteren Platz bekommen, sich modern und leicht zugänglich präsentieren, damit die Menschen Lust bekommen, in die Kommunikation einzusteigen. Gerade in der Digitalen Seelsorge, die anonymer sein kann als das klassische Seelsorgegespräch, kommen schambehaftete Themen häufiger auf den Tisch. Viele Ratsuchende, die Drogenprobleme, Schulden, Missbrauchserfahrungen oder Suizidgedanken haben – in der Kindheit oder in der aktuellen Situation, wollen im Präsenzgespräch nicht unbedingt darüber reden. Die Hemmschwelle sinkt jedoch, wenn man stattdessen die Möglichkeit hat, eine Mail zu schreiben oder einen Chat zu eröffnen.

Die Telefonseelsorge zählt bisher zu den bekanntesten Angeboten, die leicht zu erreichen sind und anonym in Anspruch genommen werden können. Auch mit der Mail- und Chatseelsorge konnte in den vergangenen Jahren vielen Menschen geholfen werden. In welcher Form kommen die Klient:innen nun auf den verschiedenen Etagen des Digitalen Hauses mit den Seelsorgenden zusammen?

Ratsuchende finden das für sie passende Angebot entweder über eine Suchmaske auf unserem Portal, oder über einen so genannten dezentralen Zugang auf der jeweiligen Webseite teilnehmender Kirchengemeinden oder Beratungseinrichtungen. So finden Menschen schnell ein offenes Ohr und ein passgenaues Angebot. Und weil die Seelsorger:innen und Berater:innen mit ihrem Namen erkennbar sind, wissen die Seelsorge- und Ratsuchenden, mit wem sie es zu tun haben.

Sind im Digitalen Haus rund um die Uhr Gesprächspartner:innen online?

Wir hoffen, dass wir ein umfangreiches Angebot vorhalten können, ergänzend auch in Form von Artikeln oder Videos.

Wie stellen sich die Beratenden auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen ein? Kann das online überhaupt funktionieren?

Das funktioniert online oftmals besser als in Präsenz. Die Seelsorger:innen und Berater:innen können sich auf die Menschen einstellen, weil sie gelernt haben, die richtigen Fragen zu stellen. Darüber hinaus sollen sich die Anbieter:innen auch schulen lassen, um sich auf die Gegebenheiten in der digitalen Welt einzustellen. Die Kommunikation über Chat oder E-Mail ist manchmal sogar persönlicher, als wenn man sich in einem Raum gegenübersitzt.

Was passiert, wenn Dinge bei der Seelsorgerin oder beim Berater anders ankommen, als sie gemeint waren? Emojis könnten missverstanden werden, Ironie funktioniert geschrieben vielleicht nicht – und was ist mit den Menschen, die eigentlich gar nicht gern schreiben?

Die Kommunikation läuft nicht anders als im persönlichen Gespräch. Auch online kann man schnell eine vertraute Basis schaffen, und mit dem nötigen Gespür lässt sich zwischen den Zeilen lesen. Für diejenigen, die nicht gern schreiben, gibt es auch etliche andere Angebote. Wir merken aber, dass sich viele Menschen ihre Probleme gern von der Seele schreiben und eine E-Mail manchmal schon ein guter Weg ist, sich und seine Gedanken zu sortieren. Wenn das Geschriebene dann nochmal gemeinsam reflektiert wird, ist es vielleicht schon genug. Unser Ansatz ist es ja, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und die Menschen mit sich selbst in Kontakt zu bringen.

Quelle: EMA / Tanja Niestroj