Als ersten Vorläufer der Leitungsberatung und damit auch der Supervision und des Coachings machte Prof. Annegret Böhmer unter Verweis auf den Sprach- und Literaturwissenschaftler Haiko Wandhoff das Hofnarrentum aus: Bis ins Mittelalter lasse sich damit die Spur der institutionalisierten Beratung von Leitungskräften zurückverfolgen, stellte sie fest.
Mit dieser überraschenden und heiteren Einsicht eröffnete die Professorin für Psychologie an der Evangelischen Hochschule in Berlin ihren Impulsvortrag zum Fachtag „Supervision im kirchlichen Kontext“ des Zentrums für Seelsorge in Hannover. Rund 60 Teilnehmende aus den verschiedenen Beratungsfeldern und Fachgesellschaften nahmen teil, kamen miteinander in den Austausch und erfüllten damit die Hoffnung von Petra Eickhoff-Brummer: Die landeskirchliche Beauftragte für die Koordination der Supervision hatte den Fachtag mit dem Wunsch organisiert, für die verschiedenen Arbeitsfelder und psychologischen Schulen ein übergreifendes Forum zu schaffen.
In ihrem Rückblick auf die Vergangenheit der Supervision im kirchlichen Kontext seit dem 19. Jahrhundert stellte Annegret Böhmer einen Paradigmenwechsel seit den 1970er Jahren fest: „Aus der beratenden Kirche wurde mehr und mehr die beratene Kirche.“ In der Folge habe sich pastoralpsychologische Kompetenz zu einem Qualitätsmerkmal im Pfarrberuf entwickelt. Spätestens seit dem EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ im Jahr 2006 seien Supervision, Gemeindeberatung und Coaching dann auch als Instrumente zur strukturellen Veränderung der Organisation Kirche gesehen worden. Lösungs- und ressourcenorientierte Beratungsformate, die sich mit der sogenannten Systemischen Wende in den 1990er Jahren durchgesetzt hatten, wurden von der Kirche allerdings mit rund 20-jähriger Verzögerung aufgegriffen, so Annegret Böhmer: Erst seit kurzer Zeit stehen kirchlich anerkannte Ausbildungen in Systemischer Seelsorge zur Verfügung.