„Mein Bild von den Dingen ist nicht das zentrale“

Nachricht 10. November 2023

Heike Bickmann hospitierte in der Seelsorge im „Drehkreuz Laatzen“

Heike Bickmann (links) tauscht sich mit Christiane Plöhn, Beauftragte für die Seelsorgeausbildung ehrenamtlich Tätiger, zu ihren Erfahrungen in der Seelsorge aus. Foto: Andrea Hesse

„Eine empathische Haltung ist für mich entscheidend, um das Leiden und die Bedürfnisse der Menschen, die Seelsorge in Anspruch nehmen, zu verstehen. Das bedeutet, offen zu sein für neue Erfahrungen und Perspektiven, aber auch bereit zu sein, von meinem Gegenüber zu lernen, gerade im Rahmen von Vielfalt religiöser Ansichten“, schreibt Heike Bickmann im Frühjahr 2023 in einer Hausarbeit. Und sie fährt fort: „Eine derartige Haltung und Einstellung bedürfen eines kontinuierlichen Ausbaus von Kompetenzen. Aufgrund meines Einsatzes am Drehkreuz habe ich mich daher intensiv mit verschiedenen kulturellen und religiösen Traditionen vertraut gemacht, um Unterschiede zu verstehen und Problemlagen in dieser Erstaufnahmeeinrichtung einschätzen zu können.“

Heike Bickmann ist ehrenamtlich tätige Seelsorgerin; von September 2022 bis Mai 2023 absolvierte sie am Zentrum für Seelsorge und Beratung (ZfSB) in Hannover den Seelsorge-Basiskurs „Seelsorge als Begleitung“. Als Voraussetzung für das damit verbundene Zertifikat schrieb sie ihre 14-seitige Hausarbeit „Zwischen verschiedenen Welten“, die auf ihren Erfahrungen in der Geflüchteten-Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Messegelände in Laatzen aufbaut. Dort, im sogenannten Drehkreuz Laatzen, hospitierte sie während ihrer Seelsorgeausbildung und wurde dabei von Pastor Joachim Wittchen und Diakonin Margarethe von Kleist-Retzow begleitet.

"Der Seelsorgekurs ist eine großartige Ausbildung"

Seit vielen Jahren ist Heike Bickmann in kirchlichen Zusammenhängen engagiert: Die 61-Jährige ist Kirchenvorstandsvorsitzende der Kirchengemeinde St. Nikolai im hannoverschen Stadtteil Limmer, gestaltet als Prädikantin Gottesdienste, leitet den gemeindlichen Jugendtreff und ist in der Organisation der Ukrainehilfe aktiv. Dies alles wuppt sie neben ihrer Berufstätigkeit als Referentin im niedersächsischen Kultusministerium: Dort ist die Berufsschullehrerin und Diplom-Berufspädagogin für das Qualitätsmanagement, für die Schulinspektion und für die Aus-und Fortbildung von Lehrkräften in Berufsbildenden Schulen verantwortlich. Im Gespräch mit ihr lässt sich erahnen, wieviel organisatorischen Aufwand es erfordert, all dies Engagement unter einen Hut zu bringen; viel mehr aber bringt Heike Bickmann die Freude und Befriedigung zum Ausdruck, die sie aus ihrem Engagement zieht.

„Der Seelsorgekurs am ZfSB ist eine großartige Ausbildung“, sagt Bickmann, die mit dieser Aussage auch einen großen Dank an Kursleiterin Christiane Plöhn verbindet. Neben dem Kennenlernen der verschiedenen Arbeitsfelder in der Seelsorge war es vor allem das intensive Hineingehen in Gespräche und in die Selbsterfahrung, das sie beeindruckt hat. „Wir haben gelernt, wirklich zuzuhören und nicht gleich mit Ratschlägen um die Ecke zu kommen“, sagt Bickmann. „Mein Bild von den Dingen ist nicht das zentrale!“

Geflüchtete und Mitarbeitende brauchen Seelsorge

Im Praxisanteil der Seelsorgeausbildung auf dem Messegelände konnte sie das Erlernte erproben und für sich selbst immer wieder auf den Prüfstand stellen; auch das hat sie als intensive Erfahrung wahrgenommen. Die Begleitung durch professionelle Seelsorger*innen gab dabei Sicherheit. „Die Kontakte von Joachim Wittchen und Margarethe von Kleist-Retzow halfen mir, viele Gespräche zu führen“, sagt die ehrenamtlich tätige Seelsorgerin. Oft erlebte sie bei ihren Einsätzen, dass die Mitarbeitenden der Hilfsdienste auf dem Messegelände ebenso Seelsorge benötigen, wie die hier ankommenden Geflüchteten: schwierige Arbeitsbedingungen, die Begegnung mit teilweise schwer traumatisierten Menschen, Sprachprobleme und Konflikte müssen ausgehalten und verarbeitet werden.

„Meine ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde hat von der Seelsorgeausbildung sehr profitiert“, hat Bickmann mittlerweile immer wieder festgestellt. Gelassener, reflektierter und mit mehr Hintergrund könne sie nun ihre Aufgaben angehen; habe auch gelernt, den Blick auf die Grenzen des Engagements zu schärfen und diese Grenzen klar zu benennen. Überhaupt sind klare Verhältnisse die Grundlage für ihr Engagement – in der Zusammenarbeit mit ihrer Gemeindepastorin und anderen Ehrenamtlichen ebenso wie in der „Alltagsseelsorge“ und den offenen Seelsorgesprechstunden, die sie in ihrer Kirchengemeinde anbietet.

Beim Schreiben ihrer Hausarbeit hat sich Heike Bickmann übrigens immer mal wieder mit der KI unterhalten: „Das war ein spannender Prozess, der mir dabei geholfen hat, alle Facetten zu berücksichtigen“, sagt sie. Und schließlich habe die KI ihr auch dabei geholfen, eine zeitweilige Schreibblockade zu überwinden.