Vor knapp vier Monaten hat Anna Thumser eine für sie ganz neue Aufgabe übernommen: Die Diakonin wechselte aus einem Kirchenkreisjugenddienst in die Klinikseelsorge. Mit einem halben Stellenanteil ist sie im Klinikum Großburgwedel tätig; mit der anderen Hälfte in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und der benachbarten Geriatrie in Langenhagen. Alle drei Einrichtungen gehören zum Klinikum Region Hannover.
Thumser hat die Ausbildung zur systemischen Seelsorgerin und Beraterin absolviert, außerdem eine Weiterbildung in Systemaufstellung. „In diesen Ausbildungen habe ich so viel für meine jetzige Tätigkeit gelernt“, sagt sie und ist zudem froh über die Möglichkeit zur Supervision, die sie regelmäßig in Anspruch nimmt.
An ihren drei Einsatzorten sind die Anforderungen an die Seelsorgerin ganz unterschiedlich, und hin und wieder holpert der Übergang nach eigener Aussage noch etwas. Ein Ritual hilft ihr jedoch dabei, die Übergänge immer besser zu gestalten: Sie zieht sich für kurze Zeit in ihren Seelsorgeraum zurück, trinkt etwas und achtet auf ihre Atmung. „Das ist wie ein Reset und anschließend kann ich von neuem starten“, sagt sie.
Für Patient*innen, Angehörige und Mitarbeitende da
Als Seelsorgerin in einer Klinik ist Anna Thumser für Patient*innen, Angehörige und Mitarbeitende da. Sowohl in Burgwedel wie auch in Langenhagen steht ihr jeweils ein kleiner Raum zur Verfügung, den sie für Seelsorgegespräche nutzt; in der Psychiatrie Langenhagen gibt es zudem einen größeren Andachtsraum, der noch auf eine ansprechende Gestaltung wartet. In Burgwedel melden sich oft Angehörige bei der Seelsorgerin, bitten sie, zur schwerkranken Mutter oder zum Partner auf der Intensivstation zu kommen. Dankbar ist Thumser auch für Hinweise von Ärztinnen oder Pflegern auf möglichen Seelsorgebedarf bei Patient*innen: „Inmitten des Kliniktrubels und der hohen Arbeitsbelastung geben mir die Mitarbeitenden immer wieder kluge Hinweise – darauf bin ich angewiesen und dafür bin ich total dankbar.“
Hinweise auf Seelsorgebedarf bekommt Thumser auch vom Sozialdienst innerhalb der Klinik sowie von einer Psychoonkologin; oft kommt daraufhin ein Seelsorgegespräch zustande. Zusätzlich leistet sie Bereitschaftsdienst in Form einer „Bereitschaft nach Möglichkeit“; dazu gehört, dass sie jederzeit per Handy zu erreichen ist, nur nachts ist das Telefon ausgeschaltet. „Ich weiß nie, womit ich zu rechnen habe, wenn ich gerufen werde“, sagt die Seelsorgerin. „Und eine Herausforderung ist es auch, inmitten piepender Geräte ein Gespräch zu führen.“
Spannend, mitunter schwierig und berührend
Ihre Gespräche am Krankenbett leitet Thumser immer mit zwei Fragen ein: „Passt es Ihnen jetzt? Darf ich mich setzen?“ Natürlich akzeptiert sie grundsätzlich jede Ablehnung, hat aber die Erfahrung gemacht, dass auch Menschen, die der Kirche eher ablehnend gegenüberstehen oder keine Seelsorgerin bei sich haben wollen, mit ihr sprechen – immer wieder wird daraus dann ein längeres Seelsorgegespräch.
Als spannend, mitunter schwierig und oft auch berührend erlebt Anna Thumser die Begegnung mit Patient*innen der Psychiatrie. Über die psychiatrischen Erkrankungen, die hier behandelt werden, weiß sie manchmal nur wenig – was aber auch ein Vorteil ist: „Ich begegne den Menschen hier mit einem ganz unvoreingenommenen Blick.“ Viele Kontakte vermittelt ihr Dr. Stefan-Maria Bartusch, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie; er hält die Seelsorge in seinem Haus für ein wichtiges Angebot.
„Ich habe Zeit und höre zu“, sagt Thumser; dabei hört sie viel über Angststörungen, Depressionen und die Auswirkungen von Schizophrenie, aber auch über wahnhafte Religionsvorstellungen. Froh ist sie über das Deeskalationstraining, das sie bei einem Team aus der Psychiatrie absolviert, um für eventuelle Angriffe gewappnet zu sein. Da sie nicht Teil des therapeutischen Teams ist, unterliegt sie nicht der Dokumentationspflicht – eine gute Voraussetzung für Gespräche, die nur einen Zweck haben: den Menschen gutzutun.
Sterbewunsch macht betroffen
Häufig wird Anna Thumser auch in die Geriatrie gerufen, die gleich neben der psychiatrischen Klinik liegt. Meist kommen die Anliegen von Patient*innen über Mitarbeitende zu ihr und es macht sie betroffen, wie häufig dabei von einem Sterbewunsch berichtet wird. Dankbar ist sie für das hohe Engagement der Mitarbeitenden und für ihre Sensibilität: „Wenn ich bei einer Patientin im Zimmer sitze, betreten sie den Raum nicht.“
Auf die Frage, ob sie den Wechsel von der Jugendarbeit in die Klinikseelsorge irgendwann bereut habe, antwortet Anna Thumser mit einem klaren Nein. „Ich vermisse die jungen Leute und meine Kolleg*innen“, sagt sie; ist aber gleichzeitig dankbar dafür, nun ruhiger arbeiten zu können. Sehr deutlich wird dabei, dass die Seelsorge ihr Ding ist – sie war es schon während vieler Juleica-Ausbildungswochen und in der intensiven Beschäftigung mit der Peer-to-Peer-Seelsorge; und sie ist es jetzt in „ihren“ drei Kliniken.
Projektidee für Herz und Seele
Dass sie dabei auch schon eine seelsorgliche Projektidee im Kopf hat, überrascht diejenigen, die Anna Thumser kennen, nicht. „Ich suche Menschen, die sich ehrenamtlich in einer oder in allen drei Kliniken engagieren und dort Veranstaltungen für Herz und Seele gestalten möchten“, sagt die Seelsorgerin. Das kann eine Andacht oder ein gemeinsames Singen sein und gerne darf das Engagement auch zeitlich begrenzt oder projektgebunden eingebracht werden.
Interessierte erreichen Anna Thumser telefonisch unter 0511 7300-580 oder per Mail an anna.thumser@krh.de.