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Foto: Andrea Hesse

Netzwerk für Flüchtlinge

Nachricht 11. November 2015

"Der Zugang zur Regelversorgung ist schwierig"

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Psychologin Frauke Baller im Gespräch mit ZfS-Direktor Martin Bergau. Foto: Andrea Hesse


Mit mehreren Kollekten aus Gottesdiensten hat das Zentrum für Seelsorge das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen e.V. (NTFN) in den vergangenen Monaten unterstützt; darüber hinaus bestehen viele inhaltliche Verbindungen zwischen der Arbeit des Netzwerkes und Seelsorge und Beratung im ZfS.

Bereits 2004 wurde das Netzwerk von engagierten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Hannover gegründet; 2007 erfolgte dann die Vereinsgründung innerhalb der Ärztekammer Niedersachsen. Traumatisierte Flüchtlinge mussten in dieser Zeit zur Behandlung in andere Bundesländer reisen, deren Behandlungszentren weitgehend ausgebucht waren. Vor dem Hintergrund wachsender Flüchtlingszahlen wurde im Jahr 2014 das Psychosoziale Zentrum (PSZ) in der Marienstraße als Raum für das Netzwerk und Behandlungszentrum gegründet; ermöglicht wird die dortige Arbeit insbesondere durch Fördermittel des Landes Niedersachsen, Spenden und ehrenamtliches Engagement.

Etwa 20.000 Flüchtlinge werden voraussichtlich bis Ende des Jahres 2015 in Niedersachsen eintreffen und landesweit untergebracht werden. „Das ist eine neue Herausforderung, zu deren Bewältigung alle Akteure im Land gefragt sind“, sagt Frauke Baller, Psychologin und Psychotherapeutin im Psychosozialen Zentrum Marienstraße. Mit den Landesaufnahmebehörden in Braunschweig und Friedland besteht eine Vereinbarung, die die Vermittlung von Flüchtlingen zur Früherkennung und Diagnostik an das NTFN regelt.

„Aufgrund von Sprachbarrieren, mangelnder Aufklärung über unser Gesundheitssystem und Einschränkungen durch das Asylbewerberleistungsgesetz ist der Zugang von Flüchtlingen zur gesundheitlichen Regelversorgung deutlich erschwert“, erläuterte Frauke Baller jetzt im Rahmen einer Konferenz im ZfS. „Gleichzeitig haben die Menschen, die zu uns kommen, ein erhöhtes Risiko, psychisch zu erkranken.“ Das Psychosoziale Zentrum hält für Betroffene verschiedene Hilfsangebote bereit: Beratung zur Beantragung einer Psychotherapie, Therapeutensuche, Vermittlung von Dolmetschern, Beantragung von Geldern für Dolmetscher- und Fahrtkosten, Diagnostik, Krisenintervention. Weitere Angebote richten sich an verschiedene Akteure in der Flüchtlingsarbeit: Fortbildungen zu Trauma- und Traumafolgestörungen, zum Umgang mit Flüchtlingskindern und zur Psychotherapie zu dritt, also mit einem Dolmetscher. Für Therapeutinnen und Dolmetscher, die in der Arbeit mit Flüchtlingen oftmals einer hohen psychischen Belastung ausgesetzt sind, gibt es im PSZ Supervisionsgruppen. Verschiedene Projekte für Ehrenamtliche werden in Kooperation mit der UNO-Flüchtlingshilfe und weiteren Partnern angeboten: eine Frauengruppe, das Flüchtlingskindertelefon, ein Krisentelefon.

„Dank der Förderung durch das Land Niedersachsen sind wir in letzter Zeit sehr schnell gewachsen“, berichtet Frauke Baller aus dem PSZ Marienstraße. Zum Team gehören haupt- und ehrenamtliche Psychologinnen, Therapeutinnen, Mediziner und Heilberufler, Rechtsanwältinnen, Dolmetscher, Verwaltungskräfte. Ihr Ziel ist es, die therapeutischen Angebote im Kinder- und Jugendbereich und die sozialpädagogischen Hilfen auszubauen, dazu sind auch dezentrale Angebote in Planung.

Bei aller Not, Hilflosigkeit und Trauer, die Frauke Baller in ihrem Arbeitsalltag erlebt, betont sie doch eines immer wieder: „Ich bin beeindruckt davon, wie fit viele Menschen trotz ihrer Fluchterfahrungen sind. Die stellen sich hin und sagen: ‚Geben Sie mir nur eine Arbeit und ich laufe los‘“.