
Die Zusammensetzung des Plenums war ideal: Mehr als 20 Vertreterinnen und Vertreter des Landeskirchenamtes, des Zentrums für Seelsorge und seines Kuratoriums, aus der Telefonseelsorge, der Chatseelsorge, der Internet- und der Öffentlichkeitsarbeit kamen jetzt zum Fachgespräch „Szenarien für Seelsorge und Beratung in den digitalen Medien“ im ZfS zusammen. In seinem Impulsreferat spannte Kirchenrat Ralf Peter Reimann, Internetbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland, einen weiten Bogen zu ganz unterschiedlichen Online-Angeboten der Seelsorge und Beratung im deutschsprachigen Raum.
„Sie sind Pfarrer und Diplom-Informatiker – eine wunderbare Kombination für unser heutiges Thema“, begrüßte ZfS-Direktor Martin Bergau den Referenten. Seit 2003 sammelt Reimann Erfahrungen mit der Chatseelsorge, an deren Aufbau er in Zusammenarbeit mit Pfarrerinnen und Pfarrern aus der rheinischen und der hannoverschen Landeskirche beteiligt war. „Ganz nah dran und doch weit weg“, so auch der Untertitel seines Referates, sei die Spanne, wenn man das Thema beleuchte: „Bei jungen Menschen liegt die Online-Nutzung bei 99,9 Prozent, gleichzeitig sind wir als Institution Kirche ganz weit weg davon.“ Bundesweit ließen sich die Online-Pfarrer und -Pfarrerinnen an zwei Händen abzählen, diese wenigen aber nutzten ganz unterschiedliche Kanäle: Sie sind in der Mailseelsorge, der Chatseelsorge und der WhatsApp-Seelsorge unterwegs. In Skandinavien und der Schweiz gibt es darüber hinaus die Kanäle Facebook, SMS und auch Videokonferenzen; Snapchat und Mindcraft seien weitere denkbare Alternativen.
"Keine Online-Netzwerke, in denen Seelsorge nicht möglich ist"
Fast immer, so Ralf Peter Reimann, habe das jeweilige Angebot mit einer Einzelinitiative begonnen, die institutionell aufgegriffen oder aber abgewehrt worden sei. „Manches ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht“, so Reimann. Dennoch: „Ich würde nicht sagen, dass es Online-Netzwerke gibt, in denen Seelsorge nicht möglich ist“, ist der Internetbeauftragte überzeugt. Der Kanal Mail sei vertraut, nicht jedoch per se besser als zum Beispiel WhatsApp: „Wenn wir wollen, kriegen wir das auch hier mit dem Seelsorgegeheimnisgesetz hin. Die Transport-Verschlüsselung ist kein Persilschein, aber doch eine Möglichkeit.“ Entscheidend sei die Sicherung der Verschwiegenheit, nicht der Anonymität; dazu sei die Klärung von Fragen zum Datenschutz, abhängig von der Art des Angebotes, notwendig. Aber: „Die Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes würde reichen“, ist Reimann überzeugt – das kompliziertere EKD-Recht führe manchmal zu der Haltung „dann lass ich es eben“.
„Absoluten Schutz gibt es kaum“, appellierte Reimann an das Plenum, sich nicht aufgrund von Sicherheitsbedenken einfach rauszuhalten. „Auch das Fenster im Dienstzimmer eines Pfarrers könnte offen sein, ganz zu schweigen von den unvorhergesehenen Seelsorgegesprächen im Supermarkt oder im vollen Zug.“ Er erinnerte an den Auftrag der Volkskirche, „alles Volk“ zu erreichen und sich nicht auf bestimmte Milieus zu beschränken, auch wenn man dabei mit Widersprüchen leben müsse: „In den ‚sicheren‘ Netzwerken finden sich nicht die Menschen; die Netzwerke, in denen sich Menschen finden, sind nicht ‚sicher‘.“ Natürlich passe das Netz auch nicht zur traditionellen Parochialstruktur, die davon ausgehe, dass jeder Mensch in seiner Kirchengemeinde pfarramtlich versorgt und Online-Seelsorge daher nicht notwendig sei. In den USA etwa werde vorgemacht, wie sich Gemeinden im digitalen Raum zusammenfinden. Auch für die kirchlichen Beratungsstellen sieht Reimann die Tendenz, dass sie ihre Klientel zum Teil nicht mehr erreichen, wenn sie kein Online-Angebot vorhalten. Für die Mitarbeitenden bedeute dies, dass sie sowohl Seelsorge- als auch Medienkompetenz benötigen.