Friedhöfe sind lebendige Orte. Dann, wenn Menschen vermissen, gehen sie an die Gräber. Zugleich verlieren auch die Gottesdienstformate, die das Erinnern an die geliebten Verstorbenen in den Mittelpunkt stellen, an Selbstverständlichkeit und werden schlechter besucht. Das hat uns als Team der Pastor*innen und Kirchenmusiker*innen der evangelischen Kirchengemeinden in Burgdorf dazu veranlasst, zum Ewigkeitssonntag direkt auf den Friedhof einzuladen.
Menschen machen an diesem Tag einen Spaziergang zum Friedhof, um beispielsweise ein Grablicht aufzustellen. Diesen Moment haben wir aufgenommen und 2024 ein Pop-Up-Format auf dem kirchlichen Friedhof unserer Kleinstadt angeboten.
Begegnung oder Alleinsein
Angehörige der Verstorbenen des zurückliegenden Kirchenjahres wurden per Brief zu den Gottesdiensten an diesem Tag und zum Pop-Up-Format am Nachmittag (von 14-16 Uhr) eingeladen. Manche Menschen kamen zum klassischen Gottesdienst mit Totengedenken, andere am Nachmittag auf den Friedhof und blieben für kurze oder längere Zeit vor Ort.
Auf dem Friedhof gab es unterschiedliche Gelegenheiten für Begegnung oder Alleinsein, für ein (seelsorgliches) Gespräch oder kleine rituelle Formen der Trauerbewältigung:
- In der Kapelle lag ein Gedenkbuch.
- Grablichter standen bereit.
- Der Posaunenchor spielte, und Besucher*innen konnten sich von einer Liste ein Lied wünschen.
- Es gab Kaffee und Butterkuchen - so wie oft beim Trauerkaffee im Anschluss an Beerdigungen.
- An einem Ort konnten die Menschen ihre Gebetsanliegen mit bunten Ballons in den Himmel schicken.
Das Pfarrteam war im Talar vor Ort und an jeder Station war jemand aus dem Team ansprechbar. Die Stationen wurden außerdem liebevoll durch ehrenamtlich Mitarbeitende begleitet. Einige Besucher*innen nutzten dies für Gespräche oder gemeinsame Spaziergänge zum Grab. Es wurde gelacht, geweint, gebetet, geschwiegen.
Wir nehmen dieses Angebot nun regelmäßig in das Portfolio des Ewigkeitssonntags auf und planen auch für andere Anlässe ähnliche Formate.
Die Erfahrung zeigt, dass es sich lohnt, die Werbung für das Angebot mit deutlichem Vorlauf zu Beginn des Novembers in die lokalen Zeitungen zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt gibt es noch Interesse der Redaktionen an Themen wie Friedhof oder Trauerkultur; in der Woche vor dem Ewigkeitssonntag sind die Medien dann schon sehr durch den nahenden Advent geprägt.
Besucher*innen suchen gezielt das Gespräch
Aus seelsorglicher Perspektive hat es sich bewährt, eine etwas abgelegenere Station, einen besonders ruhigen Ort auf dem Friedhof für längere Gespräche bereit zu halten. Verschiedentlich haben Menschen, die die Werbung für das Friedhofs-Pop-Up wahrgenommen hatten, sehr gezielt das Gespräch mit jenen Personen gesucht haben, die sie im Zusammenhang mit „ihrem“ Trauerfall als hilfreich erlebt haben. Das können Pastorin oder Pastor gewesen sein, für andere waren es Mitarbeitende des Hospizdienstes. Wieder andere wandten sich gezielt an den Bestatter oder auch die Sekretärin der Friedhofsverwaltung.
Interessant ist dabei auch, dass Menschen, weil sie ihre Gesprächspartner*innen in der Trauersituation als kompetent erlebt haben, die Situation des Friedhofs-Pop-Ups nutzten, um auch andere Themen ins Gespräch zu bringen. „Mit Ihnen kann man ja über alles reden“, hieß es etwa zur Gesprächseröffnung, um dann das (Beratungs-)Anliegen zu formulieren. Akzeptanz des Anliegens und der Person, die Wahrnehmung der akuten Emotionen und eine authentisches Auftreten führten zu mehreren, auch längeren seelsorglichen Gesprächen – auch jenseits von Tod und Trauer.
Friedhöfe sind lebendige Orte
Friedhöfe sind lebendige Orte. Wir werden nicht nur zum Ewigkeitssonntag, sondern auch zu anderen Anlässen wie dem Muttertag auf Formate auf dem Friedhof zugehen. An manchem Ort haben Kolleg*innen am Muttertag oder Heilig Abend bereits ähnliche gute Erfahrungen mit Stationen und Pop-Up-Angeboten auf Friedhöfen gesammelt: Menschen bringen ihrer verstorbenen Mutter Blumen ans Grab und kommen am Muttertag mit Seelsorger*innen vor Ort ins Gespräch, finden kreative Ausdrucksformen für ihre Trauer. Mancherorts bieten Kirchengemeinden Formate für Trauernde zu Weihnachten an: Gemeinsam werden Lichter an die Gräber gebracht, z.B. als Teil oder im Anschluss an Gottesdienste für Einsame und Trauernde an Heilig Abend.
Auch individuelle Angebote, bei denen Menschen beispielsweise zu den Geburtstagen derer, die sie vermissen, einen Spaziergang ans Grab machen und dort über einen QR-Code Worte und Klänge hören können, sind weitere Formen, die unsere Friedhöfe als Orte des Lebens und partizipativer Trauerkultur neu in den Blick nehmen.
Elisabeth Rabe-Winnen, Pastorin, Segensnetzwerk "Lauter Segen"; Valentin Winnen, Pastor, Ev.-luth. Kirchengemeinden im Kirchenkreis Burgdorf