Queere Community und Kirche, das sind manchmal zwei Personengruppen, die sich unverbunden gegenüberstehen. Oft sind es aber da, wo diese Personengruppen eine Schnittmenge haben, Anteile in queeren Christ*innen bzw. in christlichen Queers. Und spätestens dann kommt die Frage auf: Geht beides gut zusammen? Und wie?
Mit Kirche habe ich echt Probleme, aber nicht mit G+tt!
Glaubwürdig queer-sensibel: Kirche als guter Ort zum Sein
Längst nicht immer ist diese Frage das explizite Thema Queersensibler Seelsorge. Aber implizit schwingt diese Frage mit: Kann ich dem Rahmen hier vertrauen? Bin ich gewollt, anerkannt und sicher hier? Bin ich gleichwürdig?
Diese Frage stellen sich sicher auch Personen, die aus anderen Gründen Sorge vor Ablehnung oder Abwertung haben – vielleicht, weil sie geschieden sind, vielleicht, weil in der Kirche viel Intellektuelles vorkommt und manche Angst haben, mit mithalten und mitreden zu können. Das queere Spezifikum ist, dass die Kirche selbst lange viel dafür getan hat, ein queerfeindliches und queerexcludierendes Bild von sich selbst zu schaffen. Und viele Verletzungen sind noch immer nicht aufgearbeitet, andere entstehen aktuell neu.
Glaubwürdig queersensibel zu arbeiten, bedeutet daher mehr als queere Menschen willkommen zu heißen. Es bedeutet, sich einzulassen auf queere Lebensrealitäten, die eigene Wahrnehmung zu schulen, einen theologischen Standpunkt zu entwickeln, das Wissen zu erweitern, liturgische Praxis zu öffnen, Sprache und bauliche Gegebenheiten anzupassen, sich mit der eigenen Geschichte kritisch zu beschäftigen, aufzustehen gegen queerfeindliche Haltungen, Handlungen und Politik und sich an der Buntheit von G+ttes Schöpfung zu erfreuen. Das klingt erst einmal viel und erschlagend, aber: Am Ende tut es allen gut! Queersensible Räume sind Räume des achtsamen, respektvollen, zugewandten Umgangs. Queer-Sensibilität ist nichts anderes als Menschen-Sensibilität, und das ist nichts anderes als die Frage Jesu: Was willst du, das ich dir tue? (Lk 18,41)1
Hat G+tt bei mir einen Fehler gemacht? Bin ich falsch?
Queerness und Christ*in-Sein werden oft als Themen des Innersten, der eigenen Identität, erlebt. So wie Christ*innen glauben, zum Glauben berufen zu sein, ihn nicht selbst zu generieren, sondern geschenkt zu bekommen, so ist auch Queerness keine selbstwählbare Option, keine eigene Entscheidung. Lediglich die Ausgestaltung des eigenen Christ*in-Seins und des eigenen Queer-Seins liegt in menschlicher Hand. Queer zu glauben kann dabei bedeuten, einen gefühlten, vielleicht auch in der individuellen Theologie liegenden Widerspruch oder eine Spannung auszuhalten oder beides als stimmig, als integrationsfähig oder kongruent zu erleben – natürlich mit allem Fragen und Ringen, allem Zweifeln und allen Abstufungen dazwischen.
Theodor Adam, Pastor, Beauftragter für Queersensible Seelsorge im Zentrum für Seelsorge und Beratung
G+tt hat mich queer geschaffen als Abbild G+ttes eigener Queerness!
1 Praktische Hilfen, Hintergründe, Tricks und Tipps gibt es ab November 2025 in der Arbeitshilfe „Ich möchte einfach nur Mensch sein. Arbeitshilfe für eine gendersensible und queerfreundliche Praxis in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers“.