Foto: Andrea Hesse

Hoffnung auf etwas Sicherheit

Nachricht 01. Februar 2022

Paarberater Rainer Bugdahn über Schnapszahlen als Heiratstermin

Foto: Andrea Hesse

Das gerade angelaufene Jahr hält schon im Februar gleich zwei besondere Schnapszahl-Termine bereit: den 2.2.22 und den 22.2.22. Diese Daten sind bei Hochzeitspaaren besonders begehrt und viele Standesämter sind für diese Tage bereits ausgebucht – trotz Pandemie und winterlicher Kälte.

Der evangelische Pastor, Supervisor und psychologische Berater Rainer Bugdahn hat schon häufiger Paare getroffen, die an einem solchen Datum geheiratet haben. Bugdahn ist Leiter der Hauptstelle für Lebensberatung am Zentrum für Seelsorge und Beratung in Hannover; landesweit gehören 31 evangelische Beratungsstellen zwischen Göttingen und Emden zu diesem Arbeitsfeld. Im Gespräch geht Bugdahn auf die Wünsche ein, die mit einer Trauung an einem „Schnapszahltag“ verbunden sind.

Herr Bugdahn, warum wählen Paare ein Schnapszahlen-Datum für ihre Hochzeit aus?

Das entspricht dem sehr menschlichen Bedürfnis, etwas Unverfügbares mit Sicherheit zu koppeln. Also die Hoffnung, dass in diesem Datum etwas Sicherheit stecken möge für das, was man vorhat, nämlich eine Liebesbeziehung. Man weiß am Anfang ja nie, wie lange es hält. Und man hat es nicht in der Hand, ob es tragfähig ist.

Sind da Reste von magischem Denken im Spiel?

Auf jeden Fall. Das Datum 2.2.22 ist eigentlich ein ganz normaler Tag. Aber dadurch, dass wir diese Zahlen aufladen, kriegen sie eine andere Bedeutung und werden mit einer besonderen Vorstellung von Glück verbunden. Auch wenn das natürlich nicht wissenschaftlich nachweisbar ist.

Geht es auch schlicht darum, dass man sich den Hochzeitstag besser merken kann?

Das mag für die Männer, die ja oft den Hochzeitstag vergessen, eine Merkhilfe sein. Für die weibliche Seite des Paares hat es, glaube ich, eine höhere Bedeutung. Frauen sind ja oft diejenigen, die eine Hochzeit besonders durchplanen. Es sind eher Frauen, die diese Tage beantragen beim Standesamt.

Wie kommt das?

Weil Frauen sich mit dem Thema Hochzeit tiefer auseinandersetzen als Männer. Für Männer ist das ein Akt, um die gewachsene Beziehung auf der formalen Ebene zu bestätigen. Für Frauen ist es oft ein Lebenstraum.

Und die Männer sehen das nüchterner?

Ja, so ist es oft. Aber das kippt auch. Als Pastor hatte ich mal einen Soldaten, der in der Vorbereitung über das Trauversprechen nur gesagt hat: Alles klar. Machen wir. Aber während der Trauung war er so gerührt, dass er schluchzen musste und das Trauversprechen nur hinstottern konnte. Ich war dann sehr froh, dass ich den Text abgedruckt hatte in Großbuchstaben und ihm hinhalten konnte.

Erinnert man sich tatsächlich besser an den Hochzeitstag, wenn man an einem Schnapszahlen-Datum heiratet?

Ich vermute es. Aber ich würde mir die Frage stellen, welche Auswirkung das auf die Beziehung hat.

Halten denn Ehen, die an so einem Datum geschlossen wurden, wirklich länger?

Das kann man nicht sagen. Ich glaube, dass es wichtiger ist, wie ich mich am 30.9. oder am 13.7. verhalte in der Beziehung. Und manchmal auch am 25.12. Ich bringe bewusst Weihnachten ins Spiel, weil das ein Punkt ist, an dem sich Paare oft so in die Wolle kriegen, dass wir nach Weihnachten ein hohes Maß an Anfragen für Paarberatungen haben. Gerade von Männern, die dann sagen: Meine Frau hat mir an Heiligabend gesagt, wenn ich mich nicht verändere, dann stellt sie mir den Koffer vor die Tür. Diese anderen Daten des Alltags der Beziehung sind die wichtigeren Daten.

Standesbeamte haben beobachtet, dass Ehen, die an Schnapszahlen-Daten geschlossen wurden, auffallend häufig wieder geschieden werden. Haben Sie das auch beobachtet?

Mir liegt keine Statistik dazu vor. Aber ich kann das nachvollziehen. Denn wenn ich mit einer hohen Erwartung in die Beziehung gehe, kann diese Erwartung natürlich auch enttäuscht werden.

Also besser nicht an einem Schapszahlen-Termin heiraten?

Es hat jedenfalls nicht die Wirkung die man sich davon erhofft. Es ist aber auch nicht schädlich. Paare, die so einen Termin ansetzen, sollten sich auf jeden Fall bewusst machen, welche Erwartungen sie damit verbinden.

Interview: Michael Grau, epd