„Ich fühle mich schon erstaunlich heimisch hier – und das, obwohl ich neu in der Stadt, in der hannoverschen Landeskirche und in meiner Aufgabe bin“, sagt Pastorin Ulrike Scheibe. Vor wenigen Wochen trat sie ihren Dienst als landeskirchliche Beauftragte für Gebärdensprachliche Seelsorge und Beratung im Zentrum für Seelsorge und Beratung (ZfSB) in Hannover an; Ende Juni wurde sie in einem Gottesdienst durch ZfSB-Direktorin Angela Grimm in ihren Dienst eingeführt.
Sie verstehe jetzt, warum sie auf Festen von Gebärdengemeinden T-Shirts mit dem Aufdruck „Gebärdensprache ist die schönste Sprache der Welt“ gesehen habe, erzählt Ulrike Scheibe, die von der Braunschweigischen Landeskirche für ihren Wechsel nach Hannover beurlaubt wurde. Mehr als jede Lautsprache verbinde Gebärdensprache das Denken, die Sprache und den Körper miteinander: „Auch der Glauben findet darin eine besondere, sehr plastische Form des Ausdrucks.“
Ansteckende Freude am Gebärden
„Ich bin zunächst eine Notlösung, kann aber sehr schnell Sprachen lernen“: Diesen eher ungewöhnlichen Satz schrieb Scheibe in ihre Bewerbung um die Stelle im ZfSB. „Ich habe ein Faible für Sprachen und kann mir Vokabeln sehr gut merken“, erklärt sie weiter und beweist dies mit einer ansteckenden Freude am Gebärden. Mehr als 700 Gebärden kennt sie mittlerweile; lernt die neue Sprache intensiv in Onlinekursen und wird in den kommenden Monaten an zwei Schulungen in Gebärdensprache für kirchlich Mitarbeitende teilnehmen. Zusätzlich hospitiert sie im kommenden Schuljahr einmal wöchentlich in einer Schule für Schwerhörige: „So komme ich ins Gebärden hinein und lerne gleichzeitig etwas über die Lebenswelt von Kindern mit Höreinschränkung.“
Wie jede Lautsprache verändere sich auch die Gebärdensprache im Laufe der Zeit – auch das hat Scheibe in den zurückliegenden Monaten gelernt. So bilde etwa die Gebärde für „Hannover“ nicht mehr das Trinken einer Lütjen Lage ab, sondern die Silhouette des Hermesturmes auf dem Messegelände. Ihr eigener Gebärdenname zeigt eine Handbewegung hin zu ihrer Haarspange: „Das war der Vorschlag eines Gastes bei Verabschiedung von Gehörlosenseelsorger Bernd Klein in Osnabrück.“
"Ich habe meine Arbeit immer seelsorglich verstanden"
„Ich freue mich auf die Arbeit mit gehörlosen oder nur wenig hörenden Menschen und ihren Angehörigen“, sagt Scheibe. Die Zahl der Gebärdengemeinden in der hannoverschen Landeskirche sei nicht groß; innerhalb dieser Gemeinden habe sie jedoch einen sehr engen Zusammenhalt beobachtet. Eines ihrer Ziele ist es, daran mitzuwirken, dass diese kirchlichen Gemeinschaften erhalten bleiben, zumal betroffene Personen nicht einfach in eine Nachbargemeinde ausweichen können. Damit Inklusion auch in hörenden Gemeinden stattfinden kann und in der Gesellschaft weiter wächst, vertraut Scheibe auf kirchliche wie nichtkirchliche Netzwerke – für Pfarrpersonen im Gemeindedienst ebenso wie für ihren eigenen Dienst im ZfSB.
Seit längerer Zeit sei sie auf der Suche nach einer Stelle in der Seelsorge gewesen, erzählt Scheibe: „Ich habe meine Arbeit schon immer sehr seelsorglich verstanden. Es berührt mich, wenn sich Menschen mir anvertrauen, und es freut mich total, wenn Begegnungen hilfreich sind.“ 2024 schloss sie ihre Ausbildung zur Supervisorin ab und plant, in etwa einem Jahr Supervisionen anzubieten, bei Bedarf auch im Kontext gebärdender Personen.